Luitpold-Gymnasium München                                                             Leistungskurs Kunsterziehung
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Komposition II

von Uli Schuster

Um das Bildgefüge von Gemälden aufzulösen bedienen wir uns auch einer Bildsprache. Wie bei einem 'Striptease' entfernen wir auf zeichnerischem oder malerischem Weg Bildschichten um auf die hinter der Oberfläche mehr oder weniger verborgene Struktur zu stoßen. Diese Struktur halten wir in  Bildauszügen fest.
Für die Komposition wesentliche Einzelheiten stellen wir als Ausschnitt isoliert dar. 
Manche kompositorischen Konstruktionen lassen sich als Diagramm darstellen. 
Einige für die Komposition relevante Bildschichten können wir sichtbar machen indem wir andere Ebenen ausfiltern oder sie mit Hilfe von Masken ausblenden.
Das alles ist gleichzeitig eine Schulung des Betrachtens wie auch eine Schule der Komposition. 
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A
Beim Bildausschnitt nehmen wir uns Teilflächen des Bildes vor um sie aus dem Gefüge zu isolieren und wie mit der Lupe genauer zu betrachten, Bildbereiche, eine Figur, eine Gruppe, einen Gegenstand, ein Detail, das unsere Aufmerksamkeit verdient.
Folgende "Lupen" gehören zum Standard einer Kompositionsanalyse:
  • Teilflächen
Der Bildausschnitt ist eher ein fotografisches als ein zeichnerisches Verfahren. Da wir bei der Bilduntersuchung meist von Reproduktionen ausgehen und wieder zeichnerische Reproduktionen fertigen arbeiten wir fast immer mit verkleinerndem Maßstab gegnüber dem Original. Da liefert das Detail in größerem Maßstab oft wichtige Erkenntnisse die durch die Verkleinerung verloren gingen.
"C.D.Friedrich im Atelier" von Kersting. Die Aufgabe entstammt einer Abiturklausur.
  • Zonen und Gewichte
Nebenstehendes Diagramm veranschaulicht Zonen in einem Bild von G. Grosz (Metropolis)die verschiedene Themenkreise enthalten. So eine Zone ließe sich zur Verdeutlichung in einem Bildausschnitt darstellen. s.o.
Die Aufgabe stammt aus dem Abitur 1990
  • Faktur
Zum Erkennen der Faktur sind Reproduktionen oft gar nicht geeignet. Die glatte Malweise von Kersting - noch dazu in Öl - läßt sich mit Wasserfarben nur schwer imitieren. Andererseits hinterläßt der trockene und gröbere Ductus von Beckmann Spuren, die sich mit dem Borstenpinsel sogar auf Papier einigermaßen treffend wiedergeben lassen.
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B
Beim Diagramm veranschaulichen wir mit Hilfe technischer Darstellungen die "Architektur", "Konstruktion", "Geometrie" des Bildes.
Folgende "technischen Darstellungen" gehören zum Standard einer Kompositionsanalyse:
  • Perspektivisches Raumgefüge
Aus nebenstehendem Stich von Galli Bibiena sollte in einer Schulaufgabe das Raumgefüge isoliert werden und vereinfacht, d.h. vom ornamentalen Dekor befreit werden. Dazu fertigten die Schüler im ersten Schritt eine Rekonstruktion der Perspektive und in einem zweiten Schritt eine aufs Wesentliche beschränkte  Raumstudie.        Roll Over
  • Riß
Der nebenstehende Grundriß rekonstruiert den Raum und die Situation, die dem Bild "C.D.Friedrich im Atelier" von Kersting zugrunde gelegen haben mögen. Insbesondere bei Bildern die Innenräume oder eine perspektivisch geordnete Architekltur darstellen, scheint eine derartige Rekonstruktion aufschlußreich.
  • Schrägbild
Wenn es um die Staffelung des Bildraums in die Tiefe geht, bietet sich oft eine konstruierte Seitenansich zur Darstellung des räumlichen Aufbaus an. In diesem Fall ist das Schrägbild gleichzeitig räumlich auseinandergezogen, was man auch als Explosionsdarstellung bezeichnen kann.
Zu J.A. Kochs "Schmadribachfall"
  • Explosionszeichnung
  • Animation
Für eine einfache Form der Animation wurden oben bereits Beispiele gegeben: das Roll Over. Diese Animation besteht nur aus zwei Bildern, die durch Überfahren mit der Maus ausgetauscht werden;  Vorher - Nachher zeigt Alternativen auf.  Als filmische Form kann die Animation vor allem Vorgänge sichtbar machen, was für viele Gedankengänge ein ganz wesentlicher Gewinn ist.
Interaktivität ist eine Form der Animation. Schaltflächen reagieren auf Überrollen mit der Maus. Der Mauszeiger verändert sich, ein alternativer Text wird angezeigt, eine URL wird in einem Fenster des Browsers lesbar.
BLINK

HYPERTEXT

Bitte nicht kitzeln
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 Solche "sensiblen", bzw. "sprechenden" Stellen lassen sich auch für Bildinterpretationen gut nutzen. Allerdings ist ihr Funktionieren von den Darstellungsfähigkeiten der Browser abhängig.
Die obere Maja zeigt beim Überrollen des Bildes einen alternativen Text an, während die untere Dame aus Manets Frühstück im Grünen uns beim Überrollen mit der Maus zublinkt.


Beim Bildauszug durchleuchten wir das Bild wie mit einem Röntgenblick oder blenden mit diversen Filtern oder Masken einzelne "störende" Schichten aus. Dadurch verdeutlichen wir durch Verstärkung einerseits und Dämpfung andererseits spezifische Wirkungen von Helldunkel, Farbe und Form.
Folgende "Filter" gehören zum Standard einer Kompositionsanalyse:
  • Bildachsen, 
  • lineares Raumgefüge
Nebenstehende Schülerarbeit stammt aus einer Abiturklausur von 1991.  Die Aufgabe war ein Bildvergleich zweier Selbstbildnisse von Dürer und Beckmann.

Bei sehr statischen Kompositionen überwiegen parallele Bildachsen, rechte Winkel, oder wie hier ausgewogene geometrische Flächenformen wie das Dreieck.
 

  • Bewegung
  • Richtungen
  • Rhythmen
Die Darstellung von Bildachsen kann schnell zu Folgeüberlegungen führen, z. B. der Frage nach einer Richtungsbezogenheit, Dynamik dieser Achsen, nach der Betonung einer Achse/Richtung, nach Wiederholungen und damit Rhythmisierung (Verdichtung-Verdünnung).
Die Bedeutung des Blicks hat der Schüler hier als wesentliche Richtung nicht erkannt.
  • Helligkeitsverteilung (Helldunkel) 
Zum Isolieren der Helldunkel Wirkung mag es hilfreich erscheinen die Augen zusammenzukneifen um dadurch die Farbwahrnehmung zu reduzieren und eine gewisse Unschärfe des Sehens zu erreichen. In der nebenstehenden Zeichnung aus einer Klausur hat der Schüler diese Wirkung durch verwischten Graphitstaub sehr schön simuliert.

Das untersuchte Bild stammt von C.D. Friedrich

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  • Farbverteilung
Bei der Darstellung der Farbverteilung in einer verkleinernden Studie ergibt es sich zwangsläufig, daß man die wichtigsten Töne nachmischen muß. Da ist es nur ein kleiner Schritt bis zu einer Sortierung der Töne in einer Palette aus der die Ordnung der Töne und ihre Stimmung (Zusammenklang) ablesbar wird. Aus der nebenstehenden Studie zu Menzels "Balkonzimmer" könnte die Form noch stärker herausgefiltert werden. Das würde die diagonale Gegenüberstellung von kalter und warmer Hälfte deutlicher machen.

Rechts unten ein Diagramm, auf dem der Schüler die räumliche Situation in einem Grundriß skizziert hat.  Roll Over

  • Palette
Zur Verdeutlichung der Palette reicht es aus, wenn man die wichtigsten Töne in derartigen Farbabstrichen wiedergibt, am besten sortiert, wie das dieser Schüler gemacht hat.
Beim Sortieren macht man die Farbbeziehungen, Verwandtschaften wie Kontraste deutlich, indem man entsprechende Gruppen bildet.
Durch die Größe der Farbproben kann man auch quantitative Beziehungen in den Farbanteilen anschaulich machen was hier wohl nicht so ganz gelungen ist.
Zu G. Grosz, "Metropolis"
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Wem es noch nicht aufgefallen ist, dem soll es hier gesagt werden:
Ich habe mich in meiner Terminologie ganz gezielt einiger Vokabeln bedient, die einem medialen Bildverständnis entstammen. Auflösung, Ausschnitt, Filter, Masken, Ebenen. Das kommt daher, weil ich der Überzeugung bin daß sich die Bildmanipulationen, um die es hier geht, nicht nur zeichnerisch oder malerisch herstellen lassen, sondern vielfach medienspezifische Manipulationsformen darstellen. Das soll denjenigen, die mit der Fotografie, dem Kopierer oder auch einer Bildbearbeitung vertraut sind die Anregung vermitteln sich ganz gezielt auch der Mittel zu bedienen, die solche Medien hier bieten. Andererseits soll das Zeichnen und Malen damit in keiner Weise diskreditiert werden. Wie man oben sieht, führt der konventionelle Weg zu ganz respektablen Ergebnissen.
Netzquelle
Mehr über den Einsatz digitaler Bildverarbeitung zum Zweck der Kompositionsanalyse liefert eine Seite beim Bund Deutscher Kunsterzieher BDK
http://www.BundDeutscherKunsterzieher.de/joinmm/nutz-start.htm
kicherhahahahihihi