Vorgeschichte

Als neuer und junger Kunsterzieher am Johann-Michael-Fischer-Gymnasium stieß ich beim Stöbern zufällig auf Kunstdrucke im DIN A1 bzw. DIN A2 - Format; einige von ihnen zierten bereits den Zeichensaal. Die Blätterstapel lagen in einer sperrigen Holzschublade eines ausrangierten Möbelstücks. Ein Hauch der Vergangenheit gepaart mit einem Schwall Modergeruch kündeten von längst vergangenen Kunsterzieherzeiten. Ursprünglich waren sie für die Bildbetrachtung und Bildanalyse bestimmt. Doch für sie scheint es wohl im digitalen Zeitalter keine Verwendung mehr zu geben.
Wie können Kunstdruck wie diese zum Leben erweckt werden?
Oder wie können die Schüler möglichst gewinnbringend Nutzen aus ihnen ziehen?
Ganz einfach mit dem Kunstchamäleon.Wer von ihnen kennt das KunstChamäleon? Wie alle Chamäleons kann auch das KunstChamäleon seine Hautfarbe wechseln, wenn sich der Untergrund, auf dem das Chamäleon gerade sitzt, verändert. Sein Lebensraum ist jedoch nicht die Natur,viel eher die Kultur, genauer gesagt: die Kunst. Obwohl die meisten Menschen das KunstChamäleon nur selten zu Gesicht bekommen, kommt es in allen Epochen und Stilrichtungen vor.
Es wird nur allzuhäufig übersehen.



Inhalt

Die Schüler zeichnen auf einem Stück Papier die Form eines Chamäleons auf, nachdem ich ihnen Bilder von Chamäleons gezeigt habe. Danach schneiden die Schüler die Risszeichnung aus und legen diese auf eine beliebige Stelle des Bildes. Dabei suchen sie sich eine Stelle im Bild aus, in der sie das Chamäleon gerne optisch verstecken möchten. Zum optischen Verschwinden des Chamäleons müssen die Schüler das Chamäleon so bemalen, dass es in Form und Stil, vor allem aber in Farbe der Farbumgebung möglichst angepasst wird. Das noch weisse Chamäleon zeigt sozusagen genau das, was es verdeckt und verschwindet somit je nach malerischer Rafinesse und Kopiertalent optisch hinter dem Bild. Die Schüler können eine passende Stelle im Bild suchen, die ihrem handwerklich-malerischen Können entspricht. Haben sie ihre erste Bildpartie gefunden, beginnen sie das weiße Chamäleon zu bemalen, bis es optisch möglichst mit dem Bild verschmilzt.



Lehrplanbezug

Diese Unterrichtseinheit fördert die Auseinandersetzung mit Kunstwerken aus der Bildenden Kunst. (vgl. Kap.5.2 - 10.2 Bay.Lehrplan). Es fördert nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk vom Staunen zum gezielten Betrachten, sondern es konfrontiert den Schüler mit dem Kunstwerk durch den praktischen Umgang mit ihm.
Selbst für die 5.Jahrgangsstufe ist dieses Unterrichtsthema geeignet, da die Vervollständigung eines fehlenden Bildstücks zum Assoziieren, Fantasieren und Weiterfabulieren anregt. (vgl. Kap.5.1 Aus der Bildnerischen Praxis/Aus Pfantasie und Wirklichkeit)
Zudem fördert es diese UE Qualifikationen, die zumindest implizit in jeder Jahrgangsstufe des Lehrplans enthalten sind.
Sie ist Teil eines Aufgabentypus, der sich mit dem Ergänzen oder Vervollständigen eines Ausgangsbildes beschäftigt.
Es differenziert die Farbwahrnehmung, es macht die Schüler sensibel für künstlerisch-formale Probleme wie zeichnerische Elemente, Richtungsachsen, Formqualitäten etc.
Für jeden Schüler bedeutet es eine maltechnische Herausforderung und eine Motivation, den Künstler und seine Werk zu kopieren, was vor allem für die Mittelstufe von Interesse sein könnte.




Materialien


Insgesamt benötigt man für diese Unterrichtseinheit eine größere Anzahl von Kunstdrucken. Darüberhinaus empfielt es sich, zwischen dem unbmalten Chamäleon und dem Kunstdruck eine transparente Folie zu schieben, um einer farblichen Verschmutumg des Kunstdruckes vorzubeugen. Schließlich sollen die Kunstdrucke auch noch länger halten.
Anstatt die Umrisse der Chamäleons aufzuzeichnen, wären bereits vorgefertigte Umrisszeichnung eines Chamäleons denkbar. Anstatt die weißen Chamäleons mit Wasser- und
Deckfarben zu bemalen, könnten je nach Klassenstufe auch Ölfarben zum Einsatz kommen, zumal die Kunstwerke zumeist in Öl gemalt sind.

Ergebnis

Ich führte die Unterrichtseinheit mit einer 5.Jahrgangsstufe durch. Da die Kunstdrucke ausreichend groß waren, konnten bis zu vier Schüler an einem Bild arbeiten. Während der Phase des Malens war die Motivation ausdauernd hoch. Die Schüler suchten, nachdem sie ihr Chamäleon gemalt hatten, immer wieder nach neuen Verstecken im Bild. Manchmal fragten die Schüler nach weiteren Kunstwerken, wenn sie das vorliegende für ungeeigntet hielten. Das von mir etwas befürchtete Desinteresse der Schüler ist nicht eingetreten. Die 5.Jahrgangsstufe empfand es geradezu als Herausforderung, das eigene Chamäleon im Bild zu verstecken. Immer wieder trat neben die Maltechnik auch das Suchspiel hinzu, welches bewirkte, dass die Schüler die maltechnischen Schwierigkeiten vergaßen.
Die Spannung dieses Thema lag nicht nur in der Phase der Übung. Vor allem das Aufkleben der Chamäleons auf den Kunstdruck sowie das gegenseitige Schielen zum Nachbarn bereitete den Schülern große Freude. Immer wieder forderten sich die Schüler während der Malphase zum Suchen auf. Als wir die Kunstdrucke im Schulgang ausstellten, gab es eine Menge Feedback von Seiten der Schüler und der Lehrerschaft. So mancher Schüler entwickelte eine innige Beziehung zu seinem Kunstwerk.Der Lerneffekt dieser Unterrichtseinheit war vielgestaltig:
Einereseits schulte es bei den Schülern ihre Farbwahrnehmung, andererseits ihr maltechnisches Können. Vor allem aber schaffte es eine intensive Beziehung zwischen dem Schüler und dem Kunstwerk. Die Schüler setzten sich direkt mit dem Werk auseinander, malten sogar einen Teil davon. Gerade bei Gemälden der Klassischen Moderne schien sich ein Vorurteil der Schüler, dass abstrakte Malerei einfacher herzustellen sei als naturnahe nicht zu bestätigen.

Es ist zu vermuten, dass das Prinzip Chamäleon auch auf Plastiken/Skulpturen oder Architektur anwendbar sein könnte.