Die katholische Kirche St. Johannes Baptist zu Fürstenwalde

von Reinhard von Tümpling

Diese Datei ist eine lose thematische und inhaltliche Fortführung des Netzeintrags http://www.kunstunterricht.de/material/vtuempling/marien/

Es geht in dieser Datei um die Stilrichtung der neogotischen Backsteinbauweise. Weil ich aber dem evangelischen Dom St. Marien wegen seiner Besonderheiten unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit gebe, ist es nur gerecht, auch einen Eintrag zu St. Johannes Baptist am Seilerplatz zu machen, schon alleine um die Gefühle der Fürstenwalder Katholiken nicht zu verletzen. Die Pfarrgemeinde Fürstenwalde hat etwa 1500 Gemeindemitglieder, einschließlich von Bad Saarow und der Kuratie Alt-Buchhorst.

Es gibt keinen bebilderten Netzeintrag des Bistums Berlin zu St. Johannes.


Bild: kath_kir.jpg
Dies geschenkte lizenzierte Bild stammt von Foto Arnhardt persönlich.

Pfarrgemeinde Fürstenwalde, St. Johannes Baptist, Seilerplatz 2, 15517 Fürstenwalde, Tel.: 03361/22 51; Gottesdienste So 9.30 Uhr


Ein Auszug aus kirchbau.de:
Klassizismus, Historismus und Eklektizismus in Deutschland, Österreich und Schweiz (ca. 1780 - 1900)
Im Ausgang des 18. Jh. regte sich eine neue Emanzipation der Kunst von der paternalistischen Obrigkeit. Der Bürger wird zum Kulturträger und dabei tritt auch der Kirchenbau aus seiner führenden Rolle ab. Die Suche nach klassisch demokratischen Werten führt zum künstlerischen Klassizismus, der sich an den Idealen der klassischen Antike orientiert, jetzt aber mit moderner Bautechnik verbunden werden kann.
Kennzeichen des Klassizismus sind seine stadtplanerische Orientierung. Kirchen werden zu Zielpunkten im achsialen System und verzichten auf die Ostung. Dies unterstützt ein einzelner Turm bzw. eine Kuppel. Die klassischen Formen erscheinen im Klassismus hell, schlank und scharf geschnitten.
Der Historismus als eigene Stilepoche übt die Nachahmung und Steigerung der klassischen Kirchenstile Romanik, Gotik, Renaissance und Barock. Er heißt Eklektizismus, wo eine mehr oder weniger willkürliche Mischung aus verschiedenen Stilzitaten zusammentritt.

In Deutschland wird der Klassizismus sehr bald von historistischen Bauten abgelöst. Vor allem im Kirchenbau dominiert die Orientierung an den Kirchenstilen Gotik und Romanik. Im Zuge restaurativer Tendenzen, die auch die Theologie prägen, wird auch im protestantischen Kirchenbau die gerichtete Kirche im kirchlich-gotischen Stil propagiert (Eisenacher Regulativ, 1855).

Sinnvoll ist auch der Hinweis auf:
http://www.uni-duisburg.de/Institute/CollCart/christ/kidu/glossar/glossar0.htm

man vergleiche aber auch einen Aspekt:
http://www.uni-trier.de/uni/fb3/kunstgeschichte/nicolai/html/I_3_6_3.htm

wer sich über Backsteingotik noch informieren möchte:
http://www.all-in-all.com/8020.htm

für den, der Brandenburg liebevoll ehrt und gerne liest: ein Literaturverzeichnis:
http://www.altekirchen.de/Artikel.htm

ein kurzer Abriss durch die Geschichte des Backstein-Baues:
http://www.backsteinbau.de/s-akt_u3.htm

ein anderer Beitrag zum Ziegel-Bau:
http://www.moderner-lehmbau.de/deutsch/editorial/lr_d13.htm

bester Beitrag zur Ziegelherstellung:
http://www.technikmuseen.de/glindow/seiten/inhalt2.htm


Lehrplanbezug (Zitat By HS/ Gym):

Betrachten:
Ein Kunstwerk des Mittelalters - möglichst aus dem näheren Heimatraum (z. B. Kirche, Kathedrale, Burg, Flügelaltar, plastische Figur, Glasfenster)
Aspekte der Werkentstehung:
Anlass, Auftraggeber Arbeitsorganisation: Werkstatt, Bauhütte, die Arbeit am Werk: Planung und technische Realisation, Material und Werkzeug, Arbeitsteilung und Kooperation die Gestalt des Werks, seine Funktion und Bedeutung damals und heute
Lehrplanzitat bay. Gymnasium
Ku 7.2 Bildende Kunst:
Ein mittelalterliches Werk entsteht
Die Schüler erschließen sich durch das Nacherleben der Entstehungsgeschichte je eines Werkes aus der Romanik und der Gotik einen vor allem emotional geprägten Zugang zu den Menschen der betreffenden Zeit und gewinnen einen Einblick in den Lebenszusammenhang, in dem das Werk entstand (l K 7.4, Ev 7.1).

Ku 9.1.2
2 Bildende Kunst
Künstler im Umbruch: Rückbesinnungen und Ausblicke (ca. 6 Std)

An wenigen exemplarischen Werken des europäischen Klassizismus und der Romantik (> EU) soll den Schülern bewußt werden, wie eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs die Kunst zu sehr unterschiedlichen Zielen, Haltungen und Weltdeutungen (> G, D, Ev9, Eth9; > W) bewegen kann. Sie sollen erkennen, wie Künstler im Rückgriff auf Vergangenes (> L, Gr, It; >BO) neue Orientierungen suchen und sich neue Wege erschließen.

Betrachten
historische Einbettung: Revolution, Freiheitskriege, Restauration (> G)
Werkvergleich: erster Eindruck, Beschreiben (> D8) inhaltlicher und formaler Eigenheiten und Gemeinsamkeiten; Herausarbeiten spezifischer Orientierungen wie klassische Antike, (Plastik, Architektur), mittelalterliche Kunst und Architektur, Volksmärchen, Sagen, Mythen, Orientsehnsucht, Naturmystizismus, religiöse Wendungen zur italienischen Renaissance, Klassizismus in Frankreich und Deutschland, z.B. David, Ingres; Schinkel, Klenze, Romantik in Deutschland, Frankreich und England, z.B. C.D. Friedrich; Gericault, Delacroix, Constable, Turner, Deutsche Spätromantik, z.B. Nazarer...

besser noch ist das Lz 10.3 (bay. Gymnasium, Entwurf 2002)
Gestaltete Umwelt
Architektur: Gebaute Umwelt und Lebensraum (ca. 6 Std.). An einem Beispiel aus ihrer Umgebung sollen die Schüler wesentliche Beziehungen zwischen architektonischer Gestaltung und den Bedürfnissen der Menschen verstehen lernen
und sich in eigenen Verbesserungsvorschlägen mit den Auswirkungen der gebauten Umwelt auf die Lebensqualität auseinandersetzen (> U, W).

Betrachten
Zusammenhang von Leben und Architektur (> Ek11; > U) an einem örtlichen Beispiel, Erkunden und Dokumentieren von z.B. Ortszentrum, Wohnviertel, Platz, Park, Jugendheim, ggf. mit Hilfe von Photos und Zeichnungen, Aspekte bezogen auf unterschiedliche Interessengruppen...

Einordnung in die Umgebung, ästhetische Form, Repräsentationscharakter, Bedarf, Nutzung, Zweckmäßigkeit, Erhaltungszustand, historischer Wert, Erhaltungswürdigkeit, Auswerten nach Funktion, Gestaltung und Lebensqualität, nach aktuellen Vorzügen und Mängeln und im Hinblick auf zukünftige Bedürfnisse und Entwicklungen

Erörtern von Aspekten zur Verbesserung, Einbeziehen von Fragen des Denkmalschutzes (> U)


Ich bin mir sicher, dass auch andere Bundesländer dem vorliegenden Sakralbau in der Lehrplanausformulierung genug Raum in der einen oder anderen Form geben.

 

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Ich nehme zur Beschreibung den Text des kleinen Kirchenführers in gekürzter Form und erweitere ihn etwas.

Nach der Reformation durch Luther wurde 1832 wieder in Fürstenwalde das erste katholische Messopfer gefeiert; 1848 wurde die Weihe der Kapelle St. Johannes Baptist gefeiert.
Nach weiteren 50 Jahren wurde die Kapelle wegen der wachsenden Zahl von Gläubigen zu klein und 1905 erfolgte die Grundsteinlegung für die neue Kirche auf dem Seilerplatz. Es ist ein Klinkerverblendbau in der Form einer kreuzförmigen
neugotischen Hallenkirche mit 200 Sitzplätzen.


Bild: joha_1.jpg

1945 wurde die Kirche durch die Explosion eines Munitionszuges stark beschädigt und die Reparaturarbeiten dauerten etwa 2 Jahre.


Bild: joha3471.jpg
Zeigt die Formziegel und die glasierten Ziegel des Stufenportals

Bild: joha3465.jpg
Dies Bild zeigt die Ansicht von Südwesten her.

Bild: joha3466.jpg
Das Bild zeigt die Ordnung des Fenstermaßwerks, dies orientiert sich zwar der Form nach an der Gotik, strebt aber nach Vollkommenheit innerhalb der Ziegelbauweise.

Der Kirchturm besaß ursprünglich ein schlankes und sehr spitzes 68 Meter hohes Turmdach (Anm.: die Turmhöhe des St. Marien-Doms beträgt ebenfalls 68 Meter). 1956 musste dies Dach aus technischen Gründen auf 60 Meter Höhe gekürzt werden; 1983 musste das Dach noch einmal wegen Holzwurmbefalls auf 44 Meter Höhe verkleinert werden.
Das Dach war ursprünglich mit Biberschwanzziegeln gedeckt. In den Achtziger Jahren wurde das Dach des Kirchenschiffs mit farbigem Aluminiumblech eingedeckt und eine schrittweise Restauration erfolgte, in den neunziger Jahren wurden die Wände innen neu gestrichen und eine neue Heizung wurde installiert. An dieser Arbeit beteiligten sich viele Gemeindemitglieder.


Bild: joha_2.jpg


Bild: s_joha_1.jpg

Hierzu durfte ich auf die Empore an der Orgel steigen. Die auf Beton gemalten Kreuzwegbilder stammen aus der Zeit des Kirchenbaues, die Fenster im Chor wurden nach verschiedenen Zwischenlösungen in der heutigen Form modern farbig gestaltet. Der Taufstein kam in das vordere rechte Seitenschiff (hier verdeckt).


Bild: joha_x.jpg

Diese Zusammenfassung zeigt die drei an der Wand befestigten Plastiken im Querschiff vorne links. Die linke Figur stellt die Hl. Elisabeth von Thüringen dar, die historische Gestalt der Geschichtsschreibung ist der Sage nach autobiografisch verknüpft.
Man vergleiche auch:
http://www.credobox.de/elilit.htm
http://www.helmut-zenz.de/hzelisab.htm#Lebensdaten
http://www.go-wartburg.de/HeiligeElisabeth.html
http://www.genealogie-mittelalter.de/ludowinger_landgrafen_von_thueringen/
elisabeth_die_heilige_landgraefin_von_thueringen_+_1231.html

der letztzitierte Link scheint der anschaulichste zu sein, weil er
Literaturzitate zusammenfügt und sich insofern ein Gesamteindruck ergibt.


Bild: s_joha_2.jpg
Ich habe dies Bild aus mehreren Einzelbildern zusammengefügt, deshalb ergab sich die Verzerrung.


Bild: joha3493.jpg
Zeigt die wunderschöne klare Deckeneinwölbung

Bild: joha3471.jpg
Ein Bild des Eingangs: es zeigt die Formsteine des Ziegelbaues, insbesondere auch die glasierten Ziegel der Traufe am Boden, die nicht nur dekorativen und gestalterischen Wert haben

Bild: joha3506.jpg
Dies geschenkte Bild stammt von FH, es zeigt das Stufenportal mit dem segnenden Christus im Bogenfeld.

Bild: joha3465.jpg
Die Schrägansicht von Südwest her gesehen, um den Bau plastischer zu zeigen

Bild: joha3466.jpg
Die Seitenansicht von Süden her: sehr schön ist die Gliederung der Fenster

Bild: joha3467.jpg
Die Ansicht von Südosten her zeigt das Querschiff und den Kohlenkeller. An dieser Stelle der begangenen Fotostrecke vom Montag, dem 5.4.04 erzählte FH von seinen Kindheitserinnerungen, wie er als junger Bub in den Gebüschen spielte, dabei natürlich vom Küster entdeckt wurde und auch zu kleinen Arbeiten ins Innere hineingelassen wurde.

Bild: joha3468.jpg
Die Ansicht auf den Chor zeigt die Gliederung der Fenster in zwei Lanzettbahnen

Bild: joha3469.jpg
Die Ansicht von Norden her

Bild: joha3470.jpg
man beachte bitte die glatte und hohe dekorative Fassade der Ansicht auf das Pfarramt

Das Gebäude hat mittlerweile den Status eines anerkannten geschützten Denkmals. Es existieren leider keine unterrichtlich verwertbaren Riss-Zeichnungen.


Persönliche Nachbemerkungen

Diese Datei entstand durch tatkräftige Mithilfe und Unterstützung durch FH und den Fotografen Klaus Arnhardt, die dem ganzen Vorhaben sehr offen gegenüber standen.

Beide stellten mir Bildmaterial zur Verfügung.

Ich danke hier FH besonders, den ich aber nicht anders beschreiben will als einen nicht-konfessionsgebundenen ehemaligen Mitbürger, und der jetzt u.a. für diese Stadt arbeitet. Ich habe ihn an Ostern 2004 über einen komplizierten Umweg persönlich kennengelernt und muss sein Pseudonym schützen. Ich nehme ihn auch stellvertretend für den großen Anteil von Mitbürgern, denen dies Bauwerk aus anderen Gründen am Herzen liegt. Ich verdanke ihm auch zwei kleine Bildbände über Fürstenwalde und eine großformatige Fotostrecke von St. Johannes., die er mir persönlich schenkte.


Bild: joha3507.jpg
Dies geschenkte Bild zum Schluss stammt von FH. Er schilderte anschaulich, wie er als Kind im Wohnhaus hinten rechts wohnte, das Glockenläuten hörte und so einen unauslöschlichen und prägenden Eindruck auf den Lebensweg mitnahm.

Diese Kirche ist nicht nur Andachtsraum oder Denkmal, sondern wird auch mit Hochzeit und Taufe dem Leben Schutz, Geleit und Sinn geben.

 

Reinhard von Tümpling, 2004