„Der 6. Götterhimmel“
Erstellung eines Alphabetbuches in Gemeinschaftsarbeit
für die 6. Jahrgangsstufe des Gymnasiums

von Sonja Seelaus, Seminar 2006/08
 
 

Das Gestaltungsziel bildete die arbeitsteilige Erstellung eines Alphabet- Buches mit dem Titel „Der 6. Götterhimmel“. Jeder Schüler sollte ein Blatt des Buches erstellen. 
Die Schüler sollten sich einen Gott, Bewahrer bzw. Beschützer ausdenken, dessen Name mit einem Buchstaben des Alphabets beginnt und einen kurzen Text zu seinen Eigenschaften und Aufgaben schreiben. Der Fließtext sollte mit der Gleichzugfeder in Versalien der Grotesk- Schrift geschrieben werden. Ergänzend sollte sich ein (mittels Stempeldruck) eingedruckter, individuell gestalteter Initialbuchstabe mit illustrierten Attributen des jeweiligen Gottes auf dem Blatt befinden. Das Deckblatt wurde gemeinsam im Hochdruck- bzw. Offsetverfahren erstellt.


Methodisch / didaktische Überlegungen und Lehrplanbezug:
Der Lehrplan der 6. Jahrgangsstufe fordert schon in der Präambel eine Überführung der bestehenden Kenntnisse in ein „absichtsvolles, auf Wirkung bedachtes Darstellen inhaltlicher Anliegen“(Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, LP G8, S. 76). Dem Mitteilungscharakter von Schrift entsprechend vom Inhalt zur Form überzugehen erschien mir hier schlüssig. Beeinflusst durch ihr Lebensumfeld erfinden die Schüler Figuren, die sie mit Wünschen, Projektionen und einer persönlichen Bedeutung belegen. Auf der Basis dieser Inhaltlichkeit erfolgt die Schriftgestaltung, der der Lehrplan in Stufe 6 den eigenen Punkt „Kommunikation und Medien: Schrift und Information“ zugesteht. Die Kinder sollen das Wissen um die Entwicklung und Funktion von Schriftzeichen im Abendland erlangen. Als Grundlage für die eigenständige Gestaltung eines exemplarischen Buchstabens sollen sie einen Einblick in den Schriftaufbau und die Ausdrucksqualität von Schrift gewinnen . Im Erlernen der Großbuchstaben der Linear-Antiqua, deren Wurzeln in der Antike liegen, sollen die Schüler ein Gespür für den Formcharakter der Buchstaben und die Bedeutung der Zwischenräume entwickeln. Da das Schriftschreiben ein hohes Maß an Konzentration und Feinmotorik erfordert, erschien es mir wichtig, das Schreiben und „Konstruieren“ von Buchstaben mit einer Reihe von Übungen zum Umgang mit den Arbeitsmaterialien zu durchwirken. Um eine Überforderung zu vermeiden wurden den Schülern die Arbeitsschritte in kleinteiligen ‘Portionen’ auseinander gesetzt. Das Gruppengefühl in der Klasse wurde durch die Realisation eines gemeinsamen Projekts gestärkt, insbesondere, da das Deckblatt gemeinsam erstellt wurde. In diesem Zusammenhang erlangten die Kinder Grundwissen um das Hochdruckverfahren, auch im Vergleich zu den Massenproduktionsverfahren des Offsetdrucks. Um den Aspekt der Farbe nicht gänzlich auszuschließen, soll die Illustration der ‘göttlichen Attribute’ farbig koloriert werden. Für die Erstellung des Buches werden etwa 10 Doppelstunden benötigt.

EINFÜHRUNG:
Das Götteralphabet: Die Buchstaben des Alphabets wurden an die Schüler verlost. Falls die Schülerzahl höher bzw. niedriger als 26 sein sollte, erhalten Schüler 2 Buchstaben oder man nimmt die Umlaute mit dazu. Jeder Schüler sollte sich einen Gott / eine Göttin bzw. einen Schutzheiligen oder Bewahrer ausdenken, dessen/deren Name mit dem gelosten Buchstaben beginnt und einen kurzen Text zu seinen/ihren Eigenschaften und Aufgaben schreiben. Dieser Text dient als Basis für die Schriftgestaltung.

Die Antike Mythologie und die Geschichte der Schrift: Das Wissen über die griechische Mythologie wurde im Unterrichtsgespräch erörtert. Der griechische Götterhimmel und die römischen Pendants sowie ihrer Aufgabenbereiche wurden kurz besprochen. Die Schüler erhielten einen Überblick über die Entwicklung der Schrift von altägyptischen Hieroglyphen bis zur römischen Antiqua und bis zu heutigen Schrifttypen. Wesentlich war hierbei die Besprechung der Bedeutung der Schrift als Informationsträger.


SCHREIBÜBUNGEN:
Die Proportion der Groteskschrift (Dreieck, Quadrat, Kreis):
Aufbauend auf unsere Analyse begannen wir mit dem Nachempfinden der grundlegenden Konstruktionsgesetze und Proportionen der Schrift. Auf karierten Papierbögen versuchten sich die Schüler an den Einzelbuchstaben des von mir an der Tafel vorgeschriebenen Alphabets. Schon in der 2 cm hohen Bleistiftausführung und insbesondere mit den runden Buchstaben wie O, D oder C traten bei einigen Schülern erhebliche Schwierigkeiten auf. Nur wenige Kreise waren wirklich rund und so übten wir bis zum Ende der Stunde Halbkreise und konstruierten S-Kurven. In der nächsten Stunde begannen die Kinder nach der Wiederholung der Einzelbuchstaben und einer Einführung in die Arbeitsmaterialien Feder und Tusche mit Schreibübungen (waagrechte, senkrechte, diagonale Linien und Halbkreise) mit der Rundfeder. Im Anschluss begannen die Schüler mit dem Schreiben der Einzelbuchstaben der Groteskschrift mit der Gleichzugfeder (Federbreite 2,5mm, Versalhöhe 2cm, Zeilenabstand 1 cm) nach dem „Vorschreiben“ des Lehrers an der Tafel. 

Von Löchern und grauen Balken: In der dritten UE analysierten wir nach einigen ‘Aufwärmübungen’ und der Widerholung der ‘schwierigen’ Buchstaben (O, S, W, M usw.) gemeinsam Buchstabenbreiten und –abstände. Einige Schüler versuchten mit auf Folie kopierten Buchstaben, die auf dem Overheadprojektor herumgeschoben wurden, die optimale Spationierung zu finden. Nachdem die Kinder einige Worte auf kariertem Papier geschrieben hatten, wandten wir uns den richtigen Wortabständen zu und die Schüler begannen, ihre selbst verfassten Texte auf vorliniertem A3 Papier zu schreiben. 

Tipp zur Überprüfung des richtigen Ausgleichs: Augen zukneifen: ergibt sich ein grauer Balken, ist der Abstand richtig, bei Löchern ist der Abstand zu weit und bei einem schwarzen Balken zu eng. 


DIE BUCHSEITEN UND DAS DECKBLATT:
Jetzt wird’s ernst: Das ‘göttliche Papier’: 
Die Schüler erhielten das ‘göttliche Papier’. Schritt für Schritt zogen wir gemeinsam (ich an der Tafel) Ränder und Hilfslinien für Text und Initial. Um einem ‘Vermessen’ vorzubeugen, teilte ich den Kindern kopierte Papierlineale mit vorgegebener Einteilung aus. Warm geschrieben begannen die ersten Schüler mit dem Übertrag ihres Textes auf die Buchseite. 

Der Initialbuchstabe: 
Für den Initialbuchstaben sollten Handstempel mit den gelosten Buchstaben erstellt werden, die auf das Blatt eingedruckt und im Anschluss mit Buntstiften und Tusche verziert werden sollten. Höhe und Breite des Initials sollten mit der Proportion der erlernten Grotesk-Schrift übereinstimmen. Die Gestaltung der Form war den Kindern überlassen und sollte zum Charakter und den Eigenschaften ihres erfundenen Gottes passen. Gemeinsam wurde Funktion und Gestaltung verschiedener Initialbuchstaben besprochen und anhand einer Seite aus der Gutenberg- Bibel die Text- Buchstabenbild- Kombination und in der Folge die Technik des Hochdrucks geklärt. Der Entwurf des Buchstabens (Versalhöhe 6 cm), inkl. der Verzierungen in Form von Attributen oder einer Illustration der Aufgabenbereiche ihres Gottes (in der Gesamtgröße von 9 x 9 cm), erfolgte seitenrichtig mit Bleistift im Heft. Das Initial wurde mit Kohlepapier auf Moosgummi- Platten übertragen und im Anschluss mit einer Nagelschere oder einem Cutter ausgeschnitten. Die Schüler erhielten zugeschnittene Holzklötzchen als ‚Basis’ für ihre Lettern, auf welche die Moosgummi- Buchstaben spiegelverkehrt aufgeklebt wurden.Die Kinder erlangten anhand meiner Demonstration einen Überblick über die Arbeitsschritte des Druckens. Sie färbten mit Linoldruckfarbe und Walze ihre Buchstaben ein, erstellten einige Probedrucke und positionierten einen Druck auf Ihrer Buchseite. Im Weiteren übertrugen die Kinder ihre entworfenen Attribute auf das Initial, kolorierten die kleine Zeichnung mit Buntstiften und hoben Details mit Tusche und Zeichenfeder hervor.

Theodor-Heuss-Gymnasium Nördlingen, Schuljahr 2006 / 2007, Klasse 6b, 

.
Hochdruck auf Offset - Das Deckblatt: Die Klasse fertigte in Gemeinschaftsarbeit ein Deckblatt. Hierzu wurde mit den Moosgummilettern auf eine Offsetplatte gestempelt. 
.
 Bei einer freiwilligen Exkursion in die Rehlensche Handpresse Nördlingen erhielten die Schüler eine Einführung in den Buchdruck, bestaunten Holz- und Metall-Lettern und fertigten an der Offsetmaschine einen Klassensatz Abzüge ihrer bestempelten Platte.

FINALISIERUNG:
Die Einzelseiten wurden gelocht und mit Buchbinderschrauben miteinander verbunden. 
Das Buch wurde nach Fertigstellung zur Freude der Schüler in die Schulbibliothek aufgenommen.

Literatur
(vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, LP G8, S. 76)