Luitpold-Gymnasium München                                               Grundkurs
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Die Druckwerkstatt
Zu Kupferstich und Reproduktionsgrafik im 15./16. Jh.
- Ein möglicher Einstieg in einen Grundkurs Grafik -

Diese Seite ist eine Gemeinschaftsarbeit des Seminars für Kunsterziehung 2001/03 
und wurde arbeitsteilig -erstellt in einem ca. 5-stündigen Einführungslehrgang in HTML, im Juli 2001

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Ein Kupferstich von Philipp Galle um 1595 nach einer Zeichnung von Stradanus trägt als Unterschrift den Titel "sculptura in aes. Bei dieser neuen Kunst gräbt man in geglättete Platten Figuren und druckt sie in der Presse." Galle arbeitete zunächst für den Grafikverleger Hieronymus Cock, der 1550 im Handelszentrum Antwerpen ein Verlagshaus gründete, in dem etwa 20 Stecher beschäftigt waren. Aus dieser frühen Bilderfabrik kamen innerhalb von 20 Jahren über tausend Werke der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Reproduktionen und Auflagen von hunderten Stück auf den Markt. Cocks Zeichner waren in den Zentren der europäischen Kultur unterwegs und lieferten z.B. detailgetreue Zeichnungen der Fresken oder Plastiken im Vatikan, welche dann in Antwerpen in Druck gingen. Darüber hinaus entstanden andere grafische Werke, wie Landkarten, Stadtansichten oder Portraits bedeutender Persönlichkeiten. Anders als die Malerei, die aufs einzelne Stück beschränkt war, schuf die Druckgrafik einem beiten Publikum Zugang zu Bildern und zu Informationen, die sich über Bilder verbreiten ließen. Nach dem Tod von Cock machte sich Philipp Galle selbständig. Die Serie "Nova Reperta" erschien in seinem eigenen Verlag.
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Die Werkstatt eines Druckers
Im 16. Jh. wurde der Kupferstich das zeitgemäße druckgrafische Medium, mit dem technische Neuerungen einem breiten Publikum in Europa bekannt gemacht werden konnten. Ein Sammelband von mehreren Stichen des Niederländers Philipp Galle zeigte neueste Erfindungen "Nova Reperta". Darunter neben der Papierherstellung und der Ölmalerei die Reproduktionstechnik, der er sich zur Herstellung dieses Katalogs selbst bediente, den Kupferstich. Zu sehen ist eine Werkstatt, wie sie damals in Rom, Venedig, Antwerpen oder Nürnberg vielfach entstanden. Umringt von zwei Lehrbuben ist am rechten Bildrand der Stecher am Werk. Er trägt eine Brille, weil die Zeichnung, die er in eine Kupferplatte schneidet, aus sprichwörtlich 'gestochen feinen' Linien besteht, für deren Unterscheidung er des Vergrößerungsglases bedarf. In der Bildmitte sind zwei Helfer mit dem Einfärben gestochener Platten befaßt. Über einer Heizplatte wird von dem Vorderen das Blech erwärmt, damit die zum Druck verwendete Ölfarbe gut in die Vertiefungen dringt. Die Farbe wird dann mit einem Tupfer aufgetragen und mit einem Lappen wieder von der Oberfläche der Platte gewischt und mit dem Handballen gleichmäßig vertrieben. Links im Bild ist die Presse zu sehen. Der Drucktisch mit Druckstock, Papier und einem Druckfilz, wird zwischen zwei Metallwalzen unter hohem Druck durchgedreht, wobei das weiche und gefeuchtete Papier die Farbe aus den Vertiefungen des Druckstocks aufnimmt. Im Hintergrund hängen die fertigen Drucke zum Trocknen.
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Das Verfahren des Kupferstichs
Kupferstich nannte man früher Chalkographie, von griech. chalkos, Kupfer. Das Wort beschreibt zunächst den technischen Vorgang des Gravierens oder Stechens einer Kupferplatte und ist im erweiterten Sinne auch die Bezeichnung für das durch den Abdruck einer solchen Platte auf Papier entstehende grafische Blatt. Kupferstich ist außerdem der Oberbegriff für eine Reihe von Tiefdrucktechniken wie Radierung, Kaltnadelradierung, Schabkunst und Aquatinta.
Die für den Kupferstich vorgesehene Druckplatte wird durch Hämmern verdichtet und dann poliert.  Die Ränder werden facettenartig abgeschrägt, damit das Blech beim späteren Druck sich nicht durchs Papier schneidet. Beim Kupferstich wird die Zeichnung mit einem Grabstichel in das Kupfer eingegraben. Flache Furchenzüge ergeben beim Tiefdruck zarte Linien, tiefere Furchen sind gleichbedeutend mit kräftigerer Zeichnung. Beim nachträglichen Glätten der Furchen wird ein Schaber entlang der Gravurlinie geführt und durch vorsichtiges Abschneiden der erhabenen Grate eine klar gezeichnete Furche erzeugt. Die geschabte Stelle kann noch mit dem Polierstahl nachgearbeitet werden. Mit Schaber und Polierstahl ist es dem Stecher auch möglich, ganze Partien der Gravur zu entfernen und so zu korrigieren. Eine zu tief geratene Linie kann durch Zusammendrücken der Furchenseiten mit dem Polierstahl abgeschwächt werden.
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Der Ursprung des Tiefdrucks
Für das Entstehen der Druckgrafik war in Europa zunächst die Verbreitung der Papierherstellung grundlegende Voraussetzung. Das geschah erst im 15. Jh. Der Kupferstich ist ein manuelles Tiefdruckverfahren und nach dem Holzschnitt die älteste grafische Technik. Die ersten Kupferstiche entstanden etwa um 1420. Ihr Ursprung ist in der Ziselierkunst der Waffen- und Rüstungsschmiede (das Bild zeigt einen ziselierten Harnisch = Kopfpanzer für ein Pferd), vor allem aber in der Arbeit der Goldschmiede zu finden, für die das Aufrillen von Metallflächen zur Bildung von Mustern mit Stichel und Punzen eine auch heute noch kennzeichnende Methode ist. Glatte, metallene Flächen wurden von den Goldschmieden mit ornamentalen oder auch figürlichen Gravuren geschmückt.Wenige Jahrzehnte nach Entstehung des Holzschnittes hat man Anfang des 15. Jhs versucht von gravierten Kupferplatten Abzüge herzustellen. Bemerkenswert sind die sog. NIELLI, das sind kleine, mit Gravuren versehene Silberplättchen, von Goldschmieden zum Schmuck liturgischen oder profanen Geräts hergestellt. Um die Darstellung hervorzuheben, füllte man die linearen Gravuren mit einer schwarzen, aus Schwefelsilber hergestellten Masse (nigellum = niello),  und verschmolz sie im Feuer mit dem Metall. Nach der Politur erschien die Zeichnung schwarz auf dem hellen Silber.
Über die Entstehung des ersten Niello-Abdrucks gibt es die Anekdote einer Wäscherin, die versehentlich ein feuchtes Tuch auf ein frisch eingefärbtes Niello fallen ließ. Dies sei nichts weniger als die Erfindung des Kupferstichs gewesen. Die Nielli galten als früheste Werke graphischer Kunst.
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Die Rolle der Druckgrafik seit dem 16. Jh.
Philipp Galle, der Stecher der oben gezeigten Abbildung, arbeitete zunächst als Stecher (Sculptor) für den Grafikverleger (Excuditor) Hieronymus Cock, der 1550 im Handelszentrum Antwerpen ein Verlagshaus gründete, in dem etwa 20 Secher beschäftigt waren. Aus dieser frühen Bilderfabrik kamen innerhalb von 20 Jahren über tausend Kunstwerke der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler in Reproduktionen und Auflagen von hunderten Stück auf den Markt. Cocks Zeichner waren in den Zentren der europäischen Kultur unterwegs und zeichneten beispielsweise detailgetreue Kopien der Fresken oder Plastiken im Vatikan, welche dann in Antwerpen in Druck gingen. Darüber hinaus entstanden andere grafische Werke, wie Landkarten, Stadtansichten oder Portraits bedeutender Persönlichkeiten. Anders als die Malerei, die aufs einzelne Stück beschränkt war, schuf die Druckgrafik einem beiten Publikum Zugang zu Bildern und zu Informationen, die sich über Bilder verbreiten ließen. Nach dem Tod von Cock machte sich Philipp Galle selbständig. Die Serie "Nova Reperta" erschien in seinem eigenen Verlag.
So wichtig wie für einen zeitgenössischen Künstler Ausstellungen und Kataloge seiner Werke sind, so waren den Künstlern in der Folge von Raffael, Dürer und Rubens die Verbreitung ihrer Bilderfindungen (Inventio) durch Reproduktionen in auflagenstarken Druckwerken. Beispielhaft war das Zusammenwirken von Raffael mit dem Stecher Marcantonio Raimondi. Dürer löste die Druckgrafik bereits von der reproduktiven Aufgabenstellung, indem er Bildfolgen in Holzschnitten und Kupferstichen herausbrachte, die allein als grafisches Werk konzipiert waren. Rubens schließlich organisierte seine Werkstatt als arbeitsteiligen Großbetrieb. Einer seiner ersten Grafiker ist ein Sohn von Philipp Galle, Cornelis Galle. Über hundert Stiche entstehen in einem Zeitraum von 30 Jahren, streng überwacht und korrigiert durch den Inventor, wodurch sich auch stilistisch eine stark um malerische Effekte bemühte Art des Reproduktionsstichs herausbildet.
Die europaweite Verbreitung von Reproduktionen vorbildlicher Meisterwerke schafft die Grundlage für eine gemeinsame stilistische Entwicklung, zumal in den Kunstakademien der Nachwuchs an solchen Vorlagenwerken geschult wird.

Der oben gezeigte Kupferstich trägt links unten im Bild das Signum von Cornelis Galle als Stecher und Verleger (Cornelis Galle sculp. et excud.) und er trägt in einem Textfeld unter dem Bild eine Widmung auf lateinisch, die übersetzt folgendermaßen lautet: "Dem sehr berühmten und günstigen Mann, Johannes Woverius gibt und widmet Petrus Paulus Rubens das erste, glücklich begonnene Blatt seiner in Kupfer gestochenen Werke. eingedenk seines vor langer Zeit in Verona gegebenen Versprechens."

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Werkzeuge, Hilfsmittel
Die Kupferplatte wird auf ein gewölbtes, prall mit Sand gefülltes Lederkissen aufgelegt, um während des Stechens das Blech kreisförmig gegenüber dem Stichel bewegen zu können. Gerade Linien schneidet man besser auf einer festen Unterlage. Neben mehreren Sticheln mit unterschiedlichem Schliff sieht man im Bild unterschiedliche Lupen - ein Hinweis auf die Feinheit der gestochenen Lineatur, die oft mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen ist. Viele und grobe Fehler darf sich ein Stecher nicht erlauben. Eine Korrektur ist nur begrenzt möglich. Mit einem Polierstahl kann man einzelne Linien wieder etwas zudrücken oder man arbeitet falsch gezogene Linien so ein , daß sie im Resultat nicht mehr sichtbar sind. Der Ledertampon dient dem Farbauftrag. Das weiche Leder soll die Farbe in die feinsten Vertiefungen drücken.
linke Abb. von links: zwei Polierstähle, ein Stichel, Ledertampon
Gedruckt wird beim Tiefdruck generell auf weiches, saugfähiges Papier. Handgeschöpftes Bütten ist keine Voraussetzung, schon Zeitungspapier von der Rolle eignet sich für unterrichtliche Zwecke ganz brauchbar. Als Druckfarbe kommen praktisch nur feinpigmentierte Ölfarben in Frage, die man mit etwas Leinöl strecken kann und sehr sparsam aufträgt. Schülern muß man in diesem Zusammenhang erklären, daß die Ölfarbe auch wegen des Gebrauchs von in Wasser geweichtem Papier notwendig ist und sich demnach auch nicht ohne weiteres mit Wasser abwaschen läßt. Lösungsmittel für Ölfarbe ist Terpentinöl oder Terpentinersatz.
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Weitere Techniken des Tiefdrucks
Eng mit dem Kupferstich verwandt ist die Radierung, bei der ein "kaltes" und ein "heißes" Verfahren unterschieden wird. Bei der Kaltnadel arbeitet man mit einem scharfen Stahlstift. Die Nadel wird steiler geführt als der Stichel, kratzt mehr als sie schneidet, erlaubt feinste individuelle Striche nach allen Richtungen und bringt lebendig wirkende Unregelmäßigkeiten hervor. Tiefe Kratzer kosten viel Kraft. Im Gegensatz zum Stich wird das Metall eher verdrängt als geschnitten. Die Folge ist eine weicher und unschärfer wirkende Linie.

Bei der Ätzradierung werden die Vertiefungen in die Druckplatte nicht mechanisch, sondern auf chemischem Weg erzeugt. Die Platte wird beidseitig mit einer Schutzschicht gegen die Ätzflüssigkeit versehen. So ein "Ätzgrund" oder "Abdecklack" besteht aus Teer, Wachs und Talg in Terpentin gelöst, und kann mit einem breiten Pinsel aufgetragen werden. Nach dem Trocknen der Schicht kratzt man die Zeichnung mit der Radiernadel in den weichen Ätzgrund. Das kostet weniger Kraft als ein Stich oder eine Kaltnadel. Wenn der Ätzgrund kalt ist, dann springt er beim Kratzen leicht. Um dies zu vermeiden kann man entweder die Platte erwärmen oder die Nadel erhitzen: "Heiße Nadel". Durch Ätzen der Platte in einem Säurebad entstehen die Vertiefungen in der Platte an den Stellen, an denen das Kupfer durch die schabende Nadel frei gelegt wurde. Verschiedene Spitzen der Radiernadel, verschiedene Eigenschaften des Abdeckmittels und der Ätzflüssigkeit (Salpetersäure, Eisenchlorid etc.) sowie längere oder kürzere Verweildauer der Platte (Kupfer- oder Zinkblech) im Ätzbad, Konzentration und Temperatur beeinflussen die Strichstärke und den Charakter der geätzten Linien.

Die Aquatinta ist eine Methode zur Erreichung von flächigen Halbtönen. Die Platte wird mit Kolophonium, einem fein zerstäubten Harz oder mit Asphaltstaub in einem Staubkasten gleichmäßig bestäubt. Der über einer Wärmeplatte aufgeschmolzene Staub bildet auf dem Blech keine geschlossene Schicht, sondern ein unregelmäßig gestreutes, aber sehr feinmaschiges Punktmuster. Das Ätzen hinterläßt eine rauhe, körnige Metalloberfläche in der sich die Druckfarbe fängt. Die Größe der Staubkörner, die Temperatur beim Aufschmelzen und die Ätzdauer beeiflussen den Charakter und die Tiefe des beim Druck entstehenden Flächentons. Durch Abdecken der Bildzonen, die hell bleiben sollen mit dem "schwarzen Wasser" (Ätzgrund) vor dem Ätzvorgang kann der Radierer in bestimmten Zonen in seiner Bildfläche unterschiedliche Grauwerte im Druck von ein und derselben Platte erzeugen. 

Die Schabkunst (Mezzotinto), bei der die Körnung der Platte mit einem Wiegemesser hergestellt wird und die Lichter mit einem Polierstahl herausgeschabt werden, ist eine Technik, die es erlaubt besonders weiche Tonübergänge zu schaffen. 

In der Praxis werden die vorgenannten Methoden zur Herstellung von Tiefdruckplatten wie Kupferstich, Kaltnadelradierung, Ätzradierung, Aquatinta und Mezzotinto häufig kombiniert. 

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Schülerarbeiten
Der Kupferstich hat aus diversen Gründen keinen Eingang in das technische Repertoire des Kunstunterrichts gefunden. Die im Unterricht verbreitete Tiefdrucktechnik ist die Radierung. Dabei wird in der Regel der "Kaltnadel" der Vorzug vor der Ätzradierung gegeben, die man besser nur in leicht überschaubaren und mit großer Sorgfalt arbeitenden Gruppen durchführt. Beim Umgang mit Säuren im Unterricht sind besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Die Kunstpädagogik hat ihren besonderen Bedingungen gemäß nach billigen Materialien gesucht, um das teure Kupfer zu ersetzen. Mir sind Versuche mit Resopal, Aluminium, Plexiglas, Astralon und sogar CDs bekannt. Insbesondere Astralon oder anderes Folienmaterial hat den Vorteil der Trensparenz. Eine Entwurfszeichnung oder Fotografie kann so leicht in den Druck übersetzt werden.
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Literatur
Stadler, Wolf (Hrsg.), Lexikon der Kunst, Erlangen 1994
Koschatzky, Die Kunst der Graphik, München 1972

Netzquellen
http://www.grafikboerse.de/technik_to/tief.htm
Ausführliche Beschreibungen zu den einzelnen Techniken des Hoch- Flach- und Tiefdrucks der Grafikbörse aus Nürnberg

http://www.smb.spk-berlin.de/kk/s.html
Kupferstichkabinet Berlin mit reichlich (kleinen) Abbildungen

http://tillverclas.de/
Seite einer Druckerei in Hamburg mit zahlreichen Abbildungen zu den Druckverfahren

http://www.geocities.com/eleonoreweil//durerus/dde/drtb1.html
Seite mit den Meisterstichen Dürers und insgesamt 42 ausgezeichneten Scans in sehr guter Auflösung

http://www.staedelmuseum.de/Graph__Sammlung/Kupferstich_Radierung/kupferstich_radierung.html
Grafiksammlung in Staedel, Frankfurt

http://www.art-navigator.com/europe/austria/graphic/technik/
Österreichische Seite über grafische Techniken