Luitpold-Gymnasium München                                                                             Grundkurs Architektur
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Elemente der Architektur
Eine mögliche Einführung in den GK Architektur

von Uli Schuster

Dem Herkunftwörterbuch nach ist der Architekt im Griechischen der "Oberzimmermann" (archi-tecton). In der Tat müssen wir, wenn wir an den Ursprung der Architektur zurück wollen, erst an das Baumaterial Holz denken. Auch in der griechischen Architektur ist das sinnvoll, weil sich wohl vieles von dem, was heute noch von der Baukunst der Griechen erhalten ist, zwar dem dauerhaften Material Stein verdankt, von der Idee und Logik des Bauens aber vom Material Holz und einer ausgereiften Zimmermannskunst her verstanden werden muß, die bei den Griechen im Verlauf des 6. Jhs von der ursprünglichen Holzbauweise in Stein übersetzt wurde. Architektur im traditionellen Sinn beschäftigt sich nicht mit dem gewöhnlichen Nutzbau, dem Stadel oder Bauernhaus, sondern mit dem Tempel, der Kirche, dem Palast, der Villa. Allerdings versperrt dieses etwas abgehobene Verständnis von Architektur vielfach den Blick auf die Herkunft von sakralen und aristokratischen Bauformen aus einfachsten Ursprüngen.
Das feste Haus gehört einer agraren, seßhaften Kulturstufe an. Jäger und Sammler leben in vorgefundenen Höhlen oder ziehen im Zelt von Ort zu Ort. Schutz vor Witterung, vor Tieren, Feinden, Räubern und die Sicherung der der zum Überleben notwendigen Vorräte, oder auch der Totenruhe, liefern Gründe zum Bau von Häusern.
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Pfosten
Das vielleicht grundlegendste Bauelement sind Stützen. Wenn wir an eine elementare Behausung wie das Zelt denken, dann wird es im Ursprung wohl bei Indianern oder anderen Nomaden aus hölzernen Stangen und Tierhäuten (oder Gras, Moos) gebaut und erfüllt in der Hauptsache die Funktion eines mobilen 'Dachs über dem Kopf'. Tatsächlich sind in den Formen der Zelte schon die grundlegenden Probleme des Bauens enthalten. So lassen sich die Zeltstangen zu einem stabilen Gestell hauptsächlich auf zwei Weisen zusammenstellen: 
a) Als Dreibock zu einem runden und spitzen Kegel, bei dem die Sparren an ihrem Fuß eingegraben und an den sich gegeneinander neigenden Spitzen verbunden werden. So ein Gestell ist auch ohne Mittelpfosten stabil und es gewinnt durch zusätzliche Sparren an Weite. Der runde Hüttenboden kann nestartig vertieft werden.
b) Eine prismatische Form entsteht, wenn zuerst ein Pfostengestell oder Joch in der Form eines Tors, also aus zwei senkrechten Ständern und einem horizontalen Firstbalken errichtet wird. An den Firstbalken werden dann die Sparren angelehnt, die an ihrem Fuß zur Stabilisierung auch eingegraben werden. 
Fragen:
  • Welche Form ist stabiler? 
  • Wie stabilisiert man ein Tor?
  • Wie schafft man ein Auflager für den Firstbalken?
  • Worin bestehen die Nachteile dieser einfachen Zeltformen?
Spricht man beim Zelt noch weitgehend von Stangen, so nennt man die größeren Brüder Pfosten, Pfähle, Ständer, Sparren, Pfetten oder Balken. Wir werden noch sehen, daß sich von der Stange, einem dünn und gleichmäßig gewachsenen Stamm, die Säule ableitet, und aus dem zum kantigen Pfosten bearbeiteten Stamm der steinerne Pfeiler entwickelt.
Die nebenstehende Abbildung zeigt die Rekonstruktion eines Pfahlbaus vom Ledrer See in Oberitalien. Der Bau besitzt noch keine Wände. Er ist wie ein Zelt auf einer Plattform errichtet und mit Stroh eingedeckt.
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Wände
Die einfachen Zeltformen haben den Nachteil, daß unter ihren Dachschrägen wenig Platz zum Stehen bleibt. Aus diesem Grund bildet sich schon im Übergang vom Zelt zu der stabileren aber auch immobilen Hütte die Wand aus. Das Zeltdach erhält einen zylindrischen oder kubischen Unterbau, der erst einmal die Höhe herstellt, die benötigt wird, um im Raum wohnen und arbeiten zu können.
Der Begriff Wand kommt von winden und geht zurück auf eine Tradition, die man heute noch im Bauernhofmuseum findet, oder wenn alte Fachwerkhäuser restauriert werden. Beim Fachwerksbau bestand die Wand aus einem Rahmen von vertikalen Ständern und horizontalen Balken. Die Zwischenräume wurden mit einem Geflecht aus Astwerk (vorzugsweise Weide) versehen und mit Lehm verputzt. Fachwerk bedeutet ursprünglich FlechtwerkIn Regionen, wo es an Holz mangelt, werden Wände als Mauer ausgebildet. Die dazu notwendigen Steine fallen beim Bestellen des Ackers an. Die Bauern räumen die beim Pflügen gelockerten Steine an den Feldrand, wo die so gebildeten Mauern verhindern, daß der fruchtbare Ackerboden vom Regen weggeschwemmt oder vom Wind weggeweht wird. Zum Stabilisieren, binden solcher Mauern aus Feldsteinen, nimmt man Lehm oder Kalk. Bei Hauswänden verhindert solches Verputzen auch, daß sich in den Ritzen Ungeziefer halten und vermehren kann. In Landschaften mit einem natürlichen Vorkommen von Lehm ist dieser seit alters her ein geschätztes Baumaterial für Mauern. Entweder formt man daraus Ziegel, die man in der Sonne trocknet oder im Feuer brennt und dann zu einem Mauerverband aufschichtet, oder man stampft den Lehm in einer Schalung zusammen mit Stroh und Steinen zu einer verdichteten Masse, die beim Trocknen eine stabile Mauer bildet. Die aufwändigste Form der Mauer ist die aus Hausteinen gebildete. Die Blöcke werden im Steinbruch gebrochen, auf Größe gesägt und individuell auf Form behauen. Je nach der Härte des Materials erfordert dies bereits einen erheblichen Einsatz von Arbeitskräften, Werkzeugen und Transporttechnik.
 
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Dachformen
Dachformen liefern eine sinnvolle und lösbare Zeichenübung, die z.B. dann interessant wird, wenn Verschneidungen (z.B. Gauben) oder mehrstufige Turmdächer bewältigt werden müssen. Geübt wird dabei sowohl das Lesen eines Grundrisses als auch das Zeichnen in Parallelperspektive nach zwei verschiedenen Verfahren. Der einfache Fall beim Satteldach oder Pultdach wird methodisch von vorne nach hinten entwickelt, während beim Walmdach bestimmte Punkte erst im Grundriß ausfindig gemacht werden müssen. Flache Dächer findet man eher im Süden Europas, wo es weniger Regen und kaum Schnee gibt, und die verderblichen Hausvorräte eher in einem kühlen Keller verwahrt werden, was insbesondere bei felsigem, trockenem Grund auch sinnvoll ist. Die steilen Dächer im Norden hingegen haben oft etwas damit zu tun, daß der Regen hier schneller abfließt, Schneelasten abrutschen, oder auch, daß man Vorräte, z.B. Heu und andere Futtermittel, vom Verderben auf feuchtem Boden fern halten muß. In Franken kennt man eine Mischform aus hohem Sattel- und Walmdach, das sog. Krüppelwalmdach, bei dem häufig heute noch Aufzüge und Türen im Speicher anzeigen, daß früher hier Heu und Stroh gelagert wurden.
Eine eher städtische Form des Dachs mit adeliger Herkunft ist das Mansarddach. Es hat seinen Namen von dem französischen Baumeister des 17. Jhs, Francois Mansart, der für das Schloss von Blois eine neue Form des Dachs geschaffen hat, das mit seinen beiden Stufen eine Bewohnbarkeit des Dachraums ermöglicht.
Aufgabe:
In der Architektur funktioniert die Verständigung zwischen Architekt, Bauherr und Bauarbeiter über gezeichnete Pläne. Grundriß und Aufriß haben sich dabei sehr früh als die häufigsten Formen herausgebildet. 
Der Grundriß liefert eine Ansicht des Baus von oben mit einem vorgestellten horizontalen Schnitt durch das Mauerwerk. Man zeichnet ihn in verkleinertem Maßstab sodaß sich am Plan die Lage der Mauern und Räume ablesen lassen. 
Der Aufriß liefert eine frontale Ansicht des Baus entweder zur Darstellung der Gliederung der Fassade oder als vertikaler Schnitt durch den Bau zur Darstellung des inneren Aufbaus der Stockwerke oder innerer Wandgliederungen.
Das Schrägbild tritt häufig an die Seite der flächigen Planansichten, um die körperhafte Ausdehnung, die plastische Gestalt eines Baus zu verdeutlichen.
Nach gegebenen Grundrissen (und Aufrissen) sollen die Schüler je ein Schrägbild (und einen Aufriß) von Gebäuden mit unterschiedlichen Dachformen zeichnen.
Für das Schrägbild existieren in der technischen Zeichnung zwei genormte (DIN 5) parallelperspektivische Verfahren, die Isometrie, dier mit einem Maßstaß 1:1 arbeitet, und das Objekt unter einem Winkel von 300 darstellt, und die Dimetrie, die mit zwei Maßen 1:1:1/2 arbeitet und ihr Objekt unter einem Winkel von 450 (Kavaliersperspektive) zwei Winkeln von 70 und 420 oder zwei Winkeln von je 450 (Militärperspektive) arbeitet. Da wir keine technischen Zeichner ausbilden, ziehen wir hier das Freihandzeichnen der Konstruktion mit dem Lineal vor. Die Schüler sollen durch solche einfacheren Übungen eine gewisse Sicherheit im Zeichnen von Parallelen, gleichen Winkeln, geraden Linien und in der Aufteilung eines Zeichenblatts erlangen. Im gegebenen Fall waren an der Tafel jeweils Grund- und Aufriß dargestellt, während das Schrägbild jeder selbst zeichnen sollte.
Methodisch kann man beim Satteldach von vorne nach hinten zeichnen, also mit der Giebelseite beginnen. Beim Walmdach bietet es sich jedoch eher an, wie ein Maurer das Haus vom Grundriß her entstehen zu lassen. Man bringt zunächst den Grundriss in die Schrägposition und zieht dann die Kanten des Hauses und die Endpunkte des Firsts hoch, wodurch sich dann die Dachschrägen automatisch ergeben. Die richtige Wahl zwischen den beiden Verfahren entscheidet bei schwierigeren Konstruktionen über Möglichkeit die konstruktiven Probleme überhaupt zu lösen. Selbstverständlich gibt man bei solchen Konstruktionen die Lösungen nicht vor.
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Turmdächer
Komplexere Dachformen lassen sich nicht mehr so einfach freihand darstellen. Da der methodische Weg sich kaum ändert und überschaubare Regeln gelten, sind solche Übungen den Schülern relativ gut zu vermitteln. Solche Zeichnungen sind auch im konstruktiven Bereich klar zu beurteilen, weil der gedankliche Weg oder die Einhaltung der Regeln zu richtigen oder falschen Lösungen führen oder auch einzelne Fehler klar angegeben werden können. Zur Klärung der plastischen Verhältnisse kann man die lineare Zeichnung mit Schraffuren oder durch Lavierung mit Beize oder verdünnter Tusche als Körper verdeutlichen lassen. 
Wenn nur die Grundrisse vorgegeben sind gibt es für die Interpretation des Gebäudes einen gewissen Spielraum, den die Schüler nutzen sollen für eine ästhetisch ausgewogene, gut proportionierte Lösung.
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Aufgabe:
Auch der umgekehrte Weg ergibt eine sinnvolle Übung. In Zeichnungen oder in Diaprojektion vorgegebene Turmdächer sollen im Grundriß rekonstruiert werden. Voraussetzungslos sollte man das von den Schülern nicht fordern, aber wenn Dachformen wie im obigen Ablauf besprochen und gezeichnet wurden, dann ist die Umkehrung eine sinnvolle Erweiterung. Das ist dann wieder eher eine Übung im Freihandzeichnen.
Aufgabe:
Es wäre schade, wenn ein Grundkurs Architektur völlig ohne eine Übung im Modellbau auskommen würde. Das kostet zwar viel Zeit, bringt aber über die Zeichnung hinaus eine notwendige, praktisch-handwerkliche Dimension in den Unterricht. Turmdächer bieten sich von der Komplexität der Anforderungen her für so eine Übung an. Als Baumaterial eignet sich Graupappe, Werkzeuge benötigt man außer Abbrechmessern keine, aber ein guter Modellbau-Kleber (UHU-hart) ist eine essentielle Voraussetzung für ein gutes Gelingen. Ein paar Gummiringe und Wäscheklammern erfüllen ihren Zweck als Zwingen.
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Aufgabe:
Im süddeutschen Raum findet man nahezu in jedem Dorf hinreichendes Anschauungsmaterial um Turmdächer von Kirchen, Stadttoren oder Wassertürmen auch direkt nach der Anschauung zeichnen zu lassen. Ein Spaziergang rund um unsere Schule in einer Doppelstunde liefert ein gut bestücktes Sortiment. Die Schüler bewaffnen sich mit einem Skizzenblock und liefern am Ende der Doppelstunde mindestens drei Zeichnungen ab, die in einer Folgestunde nach Fotos, die der Lehrer gemacht hat, in Grund- und Aufriß analysiert werden. Aus diesen Anregungen erwachsen dann eigene Entwürfe. Ganz ehrgeizige verputzen die Wandflächen mit Moltofill, oder decken das Dach mit Kupferfolie ein.

Stütze, Pfeiler, Säule, Pilaster
Die Säule ist ihrer Idee nach ein in Stein idealisiert nachgebildeter Baumstamm. Das ist insbesondere an den ägyptischen und griechischen Säulen auch noch deutlich ablesbar. Zur Symbolik des Baumstamms kommt bei den Griechen eine antropomorphe, der menschlichen Gestalt nachgebildete Symbolisierung hinzu.
Holzpfosten, die direkt auf der Erde lagern oder gar im Boden stecken sind einer dauerhaften Belastung durch Feuchtigkeit ausgesetzt und verrotten schnell. Ist der Untergrund weich und der Pfosten belastet, so sinkt er ins Erdreich ein und gefährdet die Last, die er tragen soll. Aus diesen beiden  Gründen entsteht die Idee, Pfosten am Fußende mit einem Pfahlschuh zu versehen, sie auf eine hölzerne oder steinerne Platte zu stellen. An ihrem Kopfende tragen sie häufig eine erhebliche Last, ein Gebälk, ein Dach, einen Speicher. An solchen Stellen ist es günstig, wenn die Auflagefläche des Pfostens möglichst groß ist. Ein Sattelholz oder eine ins Balkeneck eingespreizte Knagge schaffen hier Abhilfe. Für den Fall, daß ein Speicher von einem Pfostengestell getragen wird, müssen die in ihm gespeicherten Vorräte nicht nur gegen Regen von oben, sondern auch gegen aufsteigende Feuchtigkeit von unten geschützt werden. Zudem benützt eine ganze Reihe von Schädlingen und Räubern Stämme und Pfosten als Leitern, um an Früchte oder hoch lagernde Vorräte zu kommen. Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, um Pfosten auch an ihrem Kopfende mit einem 'Kragen' oder 'Sattel' zu versehen. So ist im ganzen Mittelmeerraum eine Art von Getreidespeicher heute noch zu finden, der auf vier hölzernen Pfosten oder steinernen Säulen steht, die an ihrem Kopfende eine weit überkragende eckige oder runde Steinplatte (Mausplatte) tragen, die dem darüber liegenden Speicherbau als Auflager dienen. Das hier abgebildete Beispiel stammt aus dem nördlichen Spanien (Asturien).
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Die linke Abbildung zeigt das "Schatzhaus der Athener aus Delphi (um 500 v. Chr.), einen sog. Antentempel. Er stellt die einfachste Form, sozusagen das Grundmodell des griechischen Tempels dar. Die rechte Abb. zeigt im Modell aus Terrakotta einen Tempel aus dem 8. Jh. 
Die frontale Ausrichtung des Längsbaus hat sich erhalten, die Vorhalle ist etwas modifiziert. Die Längsmauern sind nach vorne gezogen und flankieren jetzt die Vorhalle, deren Decke nach wie vor von zwei Säulen getragen wird. Das Dach des Tonmodells zeigt einen deutlichen Speicherraum, der im 6. Jh bereits seine Funktion verloren hatte.
Für die frühe agrare Gesellschaft ist der gemeinschaftliche Kornspeicher eine Frage des Überlebens. In ihm wird die Saat für das nächste Jahr bewahrt. Es ist Sache der Priester, die Abgaben für die gemeinschaftliche Vorratshaltung einzutreiben und zu verwalten, und es ist Sache der Götter, diesen gemeinschaftlichen Schatz zu bewahren und zu bewachen. Die Entstehung der Bauform des griechischen Tempels bleibt im Dunkel der Geschichte, aber seine Verwandtschaft mit einem gemeinschaftlichen Kornspeicher würde einige bauliche Details gut erklären. Neben den Kapitellen verweist das steinerne Gebälk des Tempels auf ein hölzernes Vorleben und eine Herkunft aus einem Speichergeschoß. Der steinerne Frieß aus Metopen und Triglyphen zeigt eine Verwandtschaft mit einem belüftbaren Gebälk, wie man es auch an Kornspeichern findet (Hans Soeder, "Urformen der abendländischen Baukunst", Köln, 1964).
Außer der nach vorne offenen Vorhalle enthält der griechische Tempel meist nur einen Raum, die Cella, der Platz für eine Figur der verehrten Gottheit bot. Der griechische Tempel ist demnach eher ein Schrein für ein Götterbild. Es gibt keinen Platz für einen Gottesdienst der Dorf- oder Stadtgemeinschaft. Das Opfer fand im Freien statt und der dazu benötigte Altar stand in einem heiligen Bezirk, der um den Tempel herum meist mit einer Mauer umgrenzt war. Die griechischen Götter haben ihren Ursprung in Naturgottheiten, und wurden deshalb auch ursprünglich außerhalb der Siedlungsbezirke verehrt.
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Literatur
Hans Soeder, "Urformen der abendländischen Baukunst", Köln, 1964
Gottfried Gruben, "Die Tempel der Griechen", München, 1976