Leergeräumt
Kompositionsanalysen können etwas Trockenes an sich haben. Bei allem Respekt vor dem Künstler und seinem Werk kann die Auseinandersetzung mit einem Bild auch auf dem Weg eines praktischen Nachvollzugs, einer Umwandlung, einer Umdeutung, eines Bildzitats, einer Persiflage, Pastiche, Travestie oder Karikatur erfolgen und dann etwas mehr "Saft" gewinnen. Nicht jedes Bild und nicht jedes Thema eignet sich dafür. Aber auch in der Frage nach der Eignung eines Vorbildes, zur Zielscheibe von Veränderung oder gar Spott zu werden, kann man eine erzieherische Aufgabe sehen, zumal auch Transformationen jeglicher Art in der zeitgenössischen Kunst einen erheblichen Faktor darstellen. von Uli Schuster |
Welche Bilder eignen sich
in besonderer Weise für ein derartiges Spiel? Wir haben den Versuch
gemacht mit Innenräumen bei Magrittes "Der bedrohte Mörder"
oder Manets "Olympia". Hier war das erstere Bild dankbarer als das zweite.
Das lag an der Vielzahl der Bildobjekte, die sich wegräumen ließen,
aber auch an der Gliederung des Raums in mehrere Zonen. Magritte schien
auch deshalb als Opfer für eine derartige Operation gut geeignet,
weil er, wie oben erwähnt, selbst in fremden Bildern gewildert hat.
Aus ähnlichen Gründen kommt man beim Bildzitat immer gern auf
Manet, dessen Olympia in Tizians Venus eine Ahne hat. Aber die Olympia
macht als leeres Sofa weniger her. C.D. Friedrich hat seine Landschaften
oft in der Weise "möbliert", dass er Versatzstücke aus verschiedenen
Studien zu Kompositionen synthetisiert hat. Insofern bleibt auch hier das
Spiel mit Elementen einer Komposition der Vorgehensweise des Künstlers
nicht ganz äußerlich und war hier deshalb erfolgreich, weil
die Entfaltung der Bildtiefe beim "Wanderer über dem Nebelmeer" über
mehrere Zonen erfolgt, die sich auch jeweils einem thematischen Aspekt
zuordnen lassen.
Das Konzept "Leerräumen" ist nicht angewiesen auf digitale Bildbearbeitung, wenn diese hier auch hervorragende Dienste leisten kann. Papiermodelle leisten Vergleichbares, fordern aber andere Fähigkeiten von den Produzenten. |
Magrittes
"Der bedrohte Mörder" ist ein Beispiel dafür, wie sich Indizien
zu einem Tatort, einem Tathergang, zu einem Fall oder auch zu einem Zufall
fügen lassen. Das Zusammentreffen bestimmter Elemente verlangt eine
Erklärung, führt bei der Spurensuche zu Vermutungen über
einen Tathergang, eine Handlung. Ohne die "Häscher" mit ihren seltsamen,
archaischen Jagdwerkzeugen könnte der deklarierte "Mörder" -
durch Keule und Netz seiner Häscher wird er zur "Bestie" - auch gut
ein Detektiv sein, der sich anhört, welche Musik hier zuletzt gespielt
wurde. Unter den Surrealisten war ein Zitat von Lautréamont hoch
im Kurs:
"...schön wie die zufällige Begegnung eines Regenschirms mit einer Nähmaschine auf einem Seziertisch." Schönheit, Poesie, Sinn oder Unsinn entstehen durch die Begegnung von Elementen, Dingen, Begriffen, Wörtern, die jeweils für sich genommen eine völlig andere Betrachtung herausfordern mögen. Ihr Zusammentreffen drängt uns Schlüsse auf, lässt uns Ursachen vermuten, zwingt uns dazu, uns einen Sinn auf das Geschehen zusammenzureimen. Das mag den Reiz ausmachen, der Magritte zur Kriminalistik, zu Fantomas, zu seinen zahllosen Bildrätseln immer wieder angetrieben hat. |
Drei
weibliche Wesen setzt Manet in diesem Bild in Beziehung zueinander. Weiße
Frau und schwarze Frau fallen dem Betrachter gleich ins Auge. Weniger augenfällig
und vom Dunkel des Hintergrunds fast aufgesogen gibt es am Fußende
des Betts auch noch eine schwarze Katze. In der Zweiteilung des Hintergrunds,
in der Dienerin und dem Tier als weiteren Akteuren in diesem Bild zitiert
Manet Tizians Venus von Urbino. Die Katze allerdings ist bei Tizian ein
Schoßhündchen und die Dienerin steht bei Manet für zwei
weibliche Personen, die in Tizians Bild stärker in den Hintergrund
treten.
Katze und Dienerin als erotische Anspielung und exotische Staffage vermisst man kaum wenn sie einmal von der Bühne abgetreten sind. Das leere Bett hingegen und insbesondere das doppelte und hoch aufgestellte Kopfkissen erweisen sich als grandiose Lagerstatt und Lustwiese, die auch ohne das zierliche "Frauenzimmer" noch eine kräftig erotische Ausstrahlung besitzt. Diese Erkenntnis mag man als Lohn ansehen für die Mühe die es kostet, das Bett für einen Moment von der Dame leer zu räumen. |
Eine
10. Jahrgangsstufe zerlegte C.D. Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer
in seine Raumschichten. Die Schüler wurden dazu in Gruppen auf jeweils
eine Schicht angesetzt. Dadurch hielt sich der zeitliche Aufwand so in
Grenzen, dass die Arbeit auch im einstündigen Unterricht zügig
voran ging. Das isolierte Material wurde dann allen Schülern zum Zweck
der Manipulation zur Verfügung gestellt. Es entstanden unterschiedlichste
Versionen, die mit dem Original konfrontiert und in Bezug auf ihre jeweilige
Wirkung verglichen werden konnten. Die verschiedenen Raumschichten lassen
sich auf diese Weise inhaltlich isolieren, gleichsam als Sinnschichten:
Als dritte Möglichkeit würde sich anbieten, die in Photoshop freigestellten Raumstaffeln in einem 3-D-Programm als Raummodell aufzubauen. Damit ließen sich ähnlich wie in dem Papiertheater schräge Ansichten aus jedem beliebigen Blickwinkel erzeugen. |
Portrait des Kabaretisten
Ursus Wehrli
http://www.keinundaber.ch/site/autor/index.php?id=131 Homepage des Kabaretistenpaares Ursus und
Nadeschkin
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