Die Tontrennung
Unterrichtseinheit für einen Grundkurs Druckgrafik

von Uli Schuster

Als Vorstufe zum Hochdruck oder Siebdruck, als grundlegende malerische Übung, als fotografisches Verfahren, in vielerlei Hinsicht ist die Tontrennung als Thema wie als Übungsmotiv aus dem Kunstunterricht kaum wegzudenken. In dieser Unterrichtseinheit sollen dazu mit Hilfe von Photoshop einige Grundlagen erarbeitet werden. Um eines tieferen Verständnisses willen arbeiten wir nicht mit Filtern oder einer automatisierten Funktion Tontrennung sondern mit dem Histogramm. Der Begriff Histogramm entstammt nicht der Fotografie, in der fotografischen Literatur konnte ich ihn nicht finden. Brockhaus kennt Histogramm als "die mikroskopische Abbildung eines Gewebeverbandes". Die Verbindung zum Gewebe mag daher kommen, daß das Pixelbild mit seinem zugrunde liegenden Raster als Gewebe aufgefasst werden kann. Das Histogramm liefert eine grafische Darstellung der Tonwertverteilung im Bild, indem es die Anzahl der Pixel für jeden Grauton einzeln als Diagramm aufzeigt.
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Als Ausgangspunkt stellen wir mit der Digitalkamera von jedem Schüler ein Portraitbild her und achten bei der Beleuchtung darauf, dass eine Gesichtshälfte durch das einfallende Licht des Fensters besser ausgeleuchtet wird als die andere. Die Klasse arbeitet im Computerraum in einem Netzwerk, lernt bei dieser Gelegenheit auch etwas über Dateienverwaltung. Der erste Akt jedoch ist das Zurichten der Bilder auf eine vernünftige Bildgröße sowie die Reduktion des farbigen Bilds auf ein Grautonbild.

Bildgröße - Bildformat
Die Bilder haben bei der Aufnahme eine Größe von 1600 x 1200 Pixel in Farbe bei einer Auflösung von 72 DPI im Datenformat JPG. Das Querformat der Aufnahme (stativbedingt) beschneiden wir zunächst dem Portrait angemessen zum Hochformat, lassen das RGB-Bild in ein Graustufenbild umrechnen und reduzieren sodann die Bildgröße auf 14 cm Breite unter Beibehaltung der Auflösung und mit einer mittleren Kompression. Das hat den Hintergrund, dass wir die bearbeiteten Bilder als Ausgangspunkt für einen Linoldruck verwenden wollen und die Größe der Druckplatte DIN A5 beträgt. 

Helldunkel-Verteilung: Histogramm
Für die Verteilung der Helligkeitswerte auf die Anzahl der Pixel im Bild stellt Photoshop ein Histogramm zur Verfügung. Das Diagramm erklärt sich weitgehend selbst: Im unteren Balken zeigt ein Graukeil den Tonumfang von 256 Tönen an, der sich durch Verschieben der Marken auch einengen  lässt. Das obere Fenster zeigt die Helligkeitsverteilung mit deutlichen Spitzenwerten im dunklen wie im hellen Bereich. Ganz rechts ein bildunwirksamer Bereich, für den keine Pixel gezählt werden, und den wir als erstes wegschneiden, - rechten Regler wenig nach links verschieben. 
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Mit dem mittleren der drei Regler heben wir sodann die Helligkeit und den Kontrast in den dunklen Partien leicht an, um hier noch ein Minimum an Zeichnung (Auge und Wange) zu erhalten. Ein Verschieben des Mitteltonbereichs nach rechts würde den dunklen Bereich noch weiter in die hellen Töne hinein verlagern und die Differenzierung innerhalb der dunklen Gesichtshälfte noch stärker reduzieren.
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Für den Druck in zwei Farben suchen wir nun einen mittleren Ton. Dazu legen wir die Regler für die Tonwertspreizung, die hellen und die dunklen Töne, auf die Position des mittleren Tonwertreglers. Es sind einige Versuche notwendig, um herauszufinden, in welcher Position sich eine günstige Form der Tonflächen ergibt, das Gesicht seine Charakteristik behält, die Formen von Augen, Nase und Mund hinreichend klar gezeichnet erscheinen. Wenn wir diese Position gefunden haben, reduzieren wir mit dem unteren Regler noch den Tonumfang der Grauskala. Ein starker Schwarzweißkontrast würde dem jugendlichen weiblichen Gesicht eine unnötige Härte geben. Wir speichern dieses Bild ab als "Grauton".
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Die oben gefundene mittlere Tonfläche enthält in ihren Grenzen alle denkbaren Tonflächen eines tieferen Tons. Anders gesagt: Ein dunklerer Ton kann sich nicht außerhalb dieser Flächen befinden. Für eine höhere Differenzierung der Gesichtsform sind einer oder zwei weitere dunklere Töne hilfreich. Wir suchen wieder eine Position für den Mitteltonregler ohne Tonwertspreizung (alle drei Regler übereinander), in der die Zeichnung der Gesichtsteile klare Formen ergibt. Wenn wir eine solche Position ermittelt haben, was wiederum einige Versuche voraussetzt, reduzieren wir mit dem unteren Regler den Tonwertumfang der Grauskala, diesmal allerdings so, dass die dunkle Fläche auch einen tieferen Ton besitzt als beim ersten Mal. Wir speichern dieses Bild ab als "Schwarzton".

Der Entwurf
Eine verhältnismäßig einfache Übung ist es nun, diese beiden Tonflächen auf zwei Ebenen eines Bildes übereinander zu legen, um die Wirkung des Drucks zu erproben. Dabei ist trotz der vorgegebenen Fotografie eine breite Varianz an Lösungen möglich und es bleibt der Geduld und dem kritischen Auge des Operators überlassen, mit welcher Lösung er sich zufrieden gibt. Bei der Übertragung auf den Druckstock kann eine weitere Vereinfachung erfolgen in Richtung auf schneidbare Flächen.
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Der Druck

Vorbilder
Der Hochdruck um 1900 zeigt sich stark beeiflusst von der Fotografie. Gabriele Münter, Lebensabschnittsgefährtin von Kandinsky, hat zwischen 1902 und 1907 eine Reihe von Portraits in Holz und Linol geschnitten, die sehr stark die Sprache der fotografischen Tontrennung sprechen. Das zeigt uns, dass man auch ohne Photoshop oder andere andere Prozesse der technischen Bildwandlung zu solchen Ergebnissen kommen kann. 
In der Tat ähnelt die Tontrennung in ihrer Wirkung einem malerischen Prinzip, das bereits im 17. Jh. im Fresko und in der Pinselzeichnung verbreitet war, einer Malerei mit drei Tönen, die nicht der plastischen Form der Objekte modellierend nachspürt, sondern Lichter, Schatten- bzw Dunkelflächen und Mitteltöne erfasst.

Entwurf horizontal spiegeln
Die nebenstehenden Zeichnungen von Gabriele Münter sind Vorarbeiten zu einem Linolschnitt. Das Portrait links zeigt den Maler Kandinsky in einer Bleistiftzeichnung, bei der sie einen großen Teil der schwarzen Flächen mit dem Bleistift ausschraffiert hat. Rechts eine seitenverkehrte Pause zur Übertragung der Vorlage auf den Druckstock. Hier hat Münter nur noch die Umrisse der zu schneidenden Flächen mit kräftigem Strich durchgepaust. Diese Pause ließ sich leicht auf die Linolplatte umdrucken. Die Arbeiten von Münter sind dem Katalog der Ausstellung >Gabriele Münter - Das druckgrafische Werk< (Lehnbachhaus München) entnommen. Diesem Vorgang entnehmen wir den Hinweis, dass wir unsere mit Photoshop erstellten Entwürde für die beiden Druckfarben noch horizontal spiegeln müssen, bevor wir sie ausdrucken.

Historie
Der erste Versuch zu einem Druck mit zwei Farbtönen entstand nach Einschätzung von Walter Koschatzky in der Mitte des 15. Jhs. Ugo da Carpi sucht 1516 um Erteilung eines Privilegs des Helldunkel - Drucks in Venedig nach. Die mittlere Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus seinem Farbholzschnitt "Diogenes" in vier Platten nach Parmigianino um 1525. In Deutschland sind es Hans Burgkmair, Baldung Grien und Lucas Cranach d. Ä. (Abb. links: Christophorus, 1509), die sich zeitweise in dieser Technik versuchen. Wenn auch das Dreitonverfahren sich für den Druck in besonderer Weise anbietet, so muss sein Ursprung doch nicht unbedingt hier liegen. Im 15. Jh. begegnet man ihm in der weiß gehöhten Zeichnung ebenso wie im Fresco oder in der lavierten Federzeichnung. Tiepolo hat insbesondere die Letztere im 18. Jh. zu einer ganz meisterlichen Form getrieben, wie man der Abb. rechts (Ausschnitt aus "Venus und Adonis, Mitte 18. Jh.) unschwer entnehmen kann. Tiepolo skizzierte hier sehr leicht mit schwarzer Kreide, überarbeitete die Vorzeichnung mit der Feder und lavierte sodann mit verdünnter Tinte die Schattenflächen mit dem Pinsel.

Literatur

Walter Koschatzky, "Die Kunst der Graphik", München 1975

Siehe auch eine weitere Seite im KUSEM: Verlorene Platte