Luitpold-Gymnasium München                                                         Leistungskurs Kunsterziehung
Farbe

von U. Schuster

Farbe ist das zentrale Thema der Malerei. In der Theoriebildung zum Thema Farbe spiegeln sich immer auch das je historische Verständnis von Malerei, aber auch Forderungen aus der Lithurgie und der Ikonologie oder Erkenntnisse aus Physik, Chemie, Physiologie. Namhafte Autoren setzten sich im 19. und 20. Jh mit der Farbenlehre auseinander, so Rumford, Goethe, Runge, Delacroix, Chevreul, Ostwald, Hoelzel. Meist geht es dabei um den Versuch, Erkenntnisse der  Physik  (Grundlagen von Newton 1666) mit  psychologischen  Erkenntnissen zur Wirkung der Farben und später auch physiologischen  Erkenntnissen zu verknüpfen in einer Art 'Harmonielehre der Farben'. Einen völligen Umschwung im Interesse an der Farbe bringt im 19.Jh die Chemie, die zunehmend in die Lage kommt Farben (Farbstoffe wie Bindemittel) auf synthetischem Weg zu erzeugen, die sie den Malern fertig, z.B. in der Tube zur Verfügung stellt.
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Grundfarben und Mischung
Eines der Grundprobleme, die uns interessieren, ist die Frage nach der  Mischung der Farben . Die Klärung dieses auch handwerklich-technisch interessanten Problems wird gesucht in Überlegungen hinsichtlich der jeder Mischung zugrunde liegenden Grundfarben.
Nach dem heutigen Stand der Erkenntnis (Küppers, Harmonielehre der Farben, Köln 1989) entsteht die Empfindung von Farbe durch einen über die Netzhaut ans Gehirn vermittelten Reiz, den die Energieform  Licht  im Bereich der Wellenlängen von etwa 390 bis 760 Nanometer auslöst. Für Energie jenseits dieses Spektrums sind unsere Augen nicht empfänglich. Nach Newton läßt sich das für unsere Augen relevante und als weiß? oder besser hell! empfundene Licht der Sonne mit einem Prisma zerlegen in ein  Spektrum  farbiger, ineinander verfließender Bänder in einer Abfolge von Rot über Orange, Gelb, Grün, Blau zu Violett. Experimentell läßt sich nachweisen, daß die Zusammenführung dreier Bestandteile dieses Spektrums mit Hilfe einer Sammellinse wieder den Eindruck von Weiß ergibt. Diese drei Bestandteile des Spektrums, die sich zu Weiß 'addieren' sind Rotorange  (R), Grün  (G) und  Blauviolett  (B). Keine in der Natur vorkommende Objektfarbe (Pigment) läßt sich mit diesen Tönen identifizieren, aus künstlich hergestellten Pigmentfarben lassen sie sich nur mit Mühe und als Gemisch annäherungsweise erzeugen: Rotorange aus einer Mischung von einem bestimmten Gelbton, Kadmiumgelb - 'Yellow'(Y) und einem kühlen Rot¸ 'Magenta'(M), Grün aus 'Yellow' und einem türkisen Blauton, 'Cyan'(C), Blauviolett aus Magenta und Cyan. 
Küppers spricht nach diesen Überlegungen von drei Urfarben und 8 Grundfarben
Drei Urfarben
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Orangerot
Grün
Violettblau
Acht Grundfarben
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Weiß
Yellow
Magenta
Cyan
Vio'blau
Grün
 Or'rot
Schwarz
Die technologisch fortschrittlichste Simulation von Farbmischung läßt sich am Farbbildschirm studieren z.B. mit Hilfe eines Malprogramms oder eines Programms zur Einstellung der Farbwiedergabe am Bildschirm.
Neben Reglern für die Urfarben R, G, B findet sich meist  ein zweites 'Mischsystem' mit Reglern für 
H (Hue = Farbton), S (Saturation = Sättigung), V (Value = Helligkeit). 
Letztere Unterscheidungsmerkmale der Farbe gehen auf Helmholtz zurück('Physiologische Optik' 1867).
Nebenstehendes Bildfenster zeigt den Farbeinsteller von Netscape Composer. Eingestellt ist die Farbe Magenta. Sie entsteht durch Mischung aus der jeweils vollen Intensität von R und B ohne Anteile von G.
Der eingestellte 
Farbton (Hue) mit der Nummer 200 auf einer Skala von 239 besitzt eine 
Sättigung (Saturation) von 240 = 100% und eine 
Helligkeit (Value) von 120.
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Grundfarbe 
wird gebildet aus
R:
G:
B
Weiß
1
1
1
Yellow
1
1
0
Magenta
1
0
1
Cyan
0
1
1
Violettblau
0
0
1
Grün
0
1
0
Orangerot
1
0
0
Schwarz
0
0
0
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Basis für den Impressionismus waren Erkenntnisse der Farblehre, die zum Teil in der Mitte des 19. Jhs nicht mehr ganz neu waren:
So geht aus der Physik hervor, daß Farbe keine Eigenschaft der körperlichen Welt ist, sondern durch Sinnesreiz gebildet wird. Das spricht im  Grunde gegen eine Betonung der Lokalfarben, wie sie das Mittelalter kannte und wie es von einigen Vertretern der Romantik wiederbelebt wurde. 
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Komplementäre Farbbeziehungen
Die Grundfarben lassen sich auch noch anders darstellen, nämlich als Ausgangspunkte zweier verschiedener Mischsysteme: der subtraktiven Mischung (faktischen oder Pigmentmischung) und der additiven Mischung (Lichtmischung). Der Zusammenhang zwischen beiden Systemen beruht auf der Tatsache daß sich deren Grundfarben jeweils komplementär zueinander verhalten. Negativ ausgedrückt ist Violettblau exakt die Grundfarbe, die an Yellow nicht beteiligt ist (siehe Tabelle oben); Magenta ist die Grundfarbe, in der Grün zu 0% Anteil hat. Positiv gesagt ergänzen sich Cyan und Orangerot so, daß sie als Paar jeweils drei bunte Grundfarben in sich vereinigen (Cyan wird gebildet aus Grün und Violettblau) etc...
Yellow ist komplementär zu Violettblau
Magenta ist komplementär zu Grün
Cyan ist komplementär zu Orangerot
Die subtraktiven Grundfarben heben sich miteinander gemischt auf, was (theoretisch) zu Schwarz führt.
Die additiven Grundfarben summieren sich (theoretisch) übereinander projiziert zu weißem Licht. Ich betone die theoretische Aussage, weil sie im praktischen Nachvollzug gern auf Schwierigkeiten stößt.
Subtraktive 
Mischung
Additive 
Mischung
.. .
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Während auf der Lichtmischung und ihren Grundfarben jede Bildschirmdarstellung inklusive die Videoprojektion beruht, kommt im Farbdruck, in der Farbfotografie und in der Malerei die subtraktive Mischung zur Anwendung. Im Druck reichen normalerweise heute fünf Farben: Weiß, Yellow, Magenta, Cyan, Schwarz aus, um einen realistischen, 'natürlichen' Farbeindruck zu gewährleisten und die meisten in der Natur vorkommenden Farben befriedigend zu reproduzieren. Die Farbfotografie (Film und Papier) arbeitet mit drei übereinanderliegenden Farbschichten, die wie Filter, also subtraktiv arbeiten.
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Form oder Farbe - eine durchgängige Kontroverse
Ein Streit, der sich durch die Geschichte der Malerei bis ins 19.Jh. hinein zieht betrifft das Verhältnis von Zeichnung zu Farbe. Aus alter maltechnischer Tradition heraus war die Zeichnung und Hell/Dunkel-Darstellung Grundlage jeder Malerei. Durch Leonardo, Tizian, Velazquez, Rubens, Delacroix setzt sich zunehmend eine gegen Michelangelo, Raffael, Poussin, David, Ingres gerichtete Lehre durch, die der zeichnerisch/plastischen Kontur skeptisch bis feindlich gegenüber tritt und ein atmosphärisch, nicht plastisch verstandenes Hell/Dunkel aus der Farbe heraus entwickelt. Letztere Lehre führt bei den Naturalisten des 19. Jhs zur Primamalerei, einer Malerei, die auf jede Zeichnung verzichtet. 
Ein Argument im Kampf der Coloristen gegen die Zeichner war die Farbigkeit von Schatten, eine Entdeckung, die manchmal Delacroix zugeschrieben wird, die allerdings bereits Leonardo beschrieb. Diese Kontroverse erreichte schon am Ende des 17. Jhs. einen Höhepunkt an der Academie Royale unter ihrem Direktor Roger de Piles ("Dialogue sur lu coloris"1699). Als Symbolfigur und Kronzeuge der Coloristen galt damals Rubens, während den Gegenspieler Poussin abgab. Piles und damit die offizielle Lehre der Academie Royale stand im Lager der Rubenisten. Die Auseinandersetzung reicht noch bis ins 19. Jh, wo sie sich in den Positionen von Ingres gegen Delacroix fortsetzt.

Modellierung gegen Modulation
Worum geht der Streit letztlich? Es geht um das Verhältnis von Form, Plastizität, Raum, zu Licht und Farbe und letztlich geht es um die Frage des Inhalts von Malerei. Vereinfacht auf die Problematik der Darstellung von Plastizität von Gegenständen in der Malerei sind die Modellierung und die Modulation zwei verschiedene Lösungsansätze mit optisch mehr oder weniger deutlich zu unterscheidender Bildsprache.
Modellierung geht eher von einer haptischen Erfahrung (Tastsinn) aus, Modulation mehr von einer Visuellen. Wenn das Auge dem Tastsinn dient, nimmt es die Wölbungen einer Oberfläche am deutlichsten dort wahr, wo jede Art von Linien, Konturen, Kanten, Schnittlinien dem Auge eine Führung anbieten. Durch Abtasten der vorhandenen oder gedachten Linien erschließt sich das Auge die körperliche Beschaffenheit der Dinge.
Modulation hingegen beruht auf der Beobachtung von Farbunterschieden und Reflexionsvorgängen an den Oberflächen der Dinge. So entsteht räumliche Tiefe durch Kontrastierung von warmen und kalten Farben, die Eigenfarben (Lokalfarben) der Dinge verändern sich mit der Entfernung vom Betrachter. Das Raumlicht und insbesondere das Naturlicht im Freien kennt nicht nur eine Lichtquelle. Im Grunde strahlt jede außer einer schwarzen Oberfläche Licht ab und reflektiert seine Eigenfarbe in seine nächste Umgebung. Das nimmt der Lokalfarbe ihre Bedeutung im Bildganzen gegenüber einem tonalen Raumklang. Schließlich ist der Schatten (Schlagschatten) nicht einfach eine dunkle Abtönung, also Trübung eines lokalen Tons, sondern auch ein farblicher Reflex einer Körperfarbe. So kann ein rotes Objekt auf einen weißen Untergrund einen rötlichen Schatten werfen.
Es gehört heute auch zum durchschnittlichen Wissen eines Hobbyfotografen, daß selbst das Tageslicht zu verschiedenen Tageszeiten ein unterschiedliches Spektrum besitzt, daß weiße Flächen zur Mittagszeit eine erhebliche blaue Abstrahlung haben, während sie in den Abendstunden rötlich wirken. Der Fotograf gleicht das mit Filtern aus.
Ein visuelles Interesse an den Dingen sucht das Sehfeld nicht primär nach Objekten, Formen, Linien ab, sondern sucht Farben, Töne, Reflexe, vergleicht nicht Groß oder Klein sondern stellt Beziehungen her zwischen Stellen gleicher Tonlage und farblich kontrastierenden Stellen. Form entsteht auf diese Art und Weise erst als eine nachgeordnete Erscheinung.
Maltechnische Werkzeuge der Modellierung sind Helldunkel-Untermalung und darüber gelegte Farblasur, Verlauf, Schraffur und faktische Mischung. Dagegen baut farbliche Modulation eher auf ein unvermischtes Nebeneinander von Tönen in Tupfen, Flecken oder Punkten aufgetragen. Im Prinzip enthält dann jede Stelle eines Bildes alle Farben nur in unterschiedlicher Quantität und Dichte.
Manche Impressionisten ziehen aus ihrer Beobachtung des Lichts ideologische Schlüsse in der Art, daß sie Schwarz überhaupt aus ihrer Palette verbannen und auch die Bunttöne auf ein Minimum reduzieren. Seurat beispielsweise soll seine Palette auf elf Buntfarben und Weiß verkleinert haben, Schwarz und die Erdfarben lehnt er ab. Der von den Impressionisten bevorzugte getupfte Farbauftrag entsteht aus der Absicht, dem Bild die Wirkung einer Lichtkanone zu verleihen. Man kann darin die Vorwegnahme der Idee des Bildschirms sehen. Die einzelnen Farbtupfer liegen auf der Leinwand möglichst unvermischt nebeneinander wie leuchtende Punkte, für die Mischung soll das Auge selbst sorgen. Dies nennen sie 'optische Mischung'. Die Forderung einer optischen Mischung basiert auf der Erfahrung eines begrenzten Auflösungsvermögens des Auges, die auch den Prinzipien des Farbdrucks und des farbigen Bildschirms zugrunde liegt. 
Das menschliche Auge kann ca 100 000 Farbtöne unterscheiden, 'Echtfarbendarstellungen' am Bildschirm fordern ca 1 Million Farbtöne. Der punktartige Farbauftrag der Impressionisten (insbesondere der Seurats) entspricht der etwa zur selben Zeit entwickelten Technik der Farblithografie aber auch den Grundlagen der farbigen Webtechnik, über die sich der Theoretiker (Physik und Chemie) und Zeitgenosse Seurats, Michel Chevreul (1786-1889!), als Direktor der königlichen Gobelinmanufaktur den Kopf zerbrach. In beiden Fällen geht es darum, eine Vielzahl von Farbwirkungen aus einer möglichst geringen Anzalhl von einfarbigen Fäden oder je einfarbigen Druckplatten zu erzielen. 
Die Lösung dieser Probleme führt zumindest in der Druckgrafik zum Farbauszug und zur Rastertechnik, die im Grunde auch der Farberzeugung in der Fotografie und auf dem Bildschirm zugrunde liegen.

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http://www.ipsi.fraunhofer.de/Kueppersfarbe/de/index.html
Der tapfere Streiter um die Wahrheit in der Farbenlehre, Harald Küppers, hat eine eigene Webseite zum Thema Farbe. Nahezu erschöpfend!

http://home.nordwest.net/janaszek/index1.htm?farbe.html
12seitiges Kompendium über Farbe und Computergrafik nur als Download!

http://www.seilnacht.tuttlingen.com/Lexikon/FLexikon.htm
Ein ausgezeichnetes Lexikon der Farbstoffe und Pigmente in Bild und Text (Farbprifil=Charakteristik) Farbstoffgewinnung, Wirkung, Beispiele aus der Malerei, Arbeitsblätter etc von Thomas Seilnacht

http://www.fh-lueneburg.de/u1/gym03/homepage/faecher/kunst/foto/farben.htm
Dr. Dörte Haftendorn vom Johanneum Lüneburg präsentiert "Thema Farbe beim Computer und in der Foptografie"