Luitpold-Gymnasium München                                                             Leistungskurs Kunsterziehung
Joseph Mallord William Turner (1775-1851)

Hintergrund
William Turner zweifelt anfangs an der Ausbildung der traditionellen Kunstakademien, lernt dann aber doch dort und wird Professor für Perspektive. Wenig später gibt er diesen Posten auf, da er stets als zu unzeitgemäß kritisiert wird. Er versucht nun sein Glück mit einer Gravurmanufaktur, in der er mit ungefähr zwanzig Mitarbeitern Graphiken für englische Adlige anfertigt, die vor allem ihre Landsitze verewigt sehen wollen. Auf diese Weise reist er häufig, und Tausende Skizzen sind uns von diesen Touren erhalten. In seinen frühen Bildern orientiert er sich vor allem an den holländischen Meistern wie beispielsweise Rembrandt, aber auch an Tizian und Claude Lorrain, später tritt aber die Farbe stärker in den Vordergrund, die Formen des Motivs werden aufgelöst.
Die Farbe als wichtigstes Mittel erhält bei Turner eigene Ausdruckskraft, eigenen Wert. Ausführlich hatte er sich mit Farbtheorien beschäftigt und erkannt, daß die Pigmentmischung weit weniger leuchtend ist als die Farblichtmischung bei der Betrachtung. So verleiht er den Farben durch verschiedenfarbige, nebeneinander liegende Flecken und Streifen eine unglaubliche Leuchtkraft. Dafür verwendet Turner keine "unbunten" oder Erdfarben, sondern lebhafte Farben und viel Weiß. Hell/Dunkel erzeugt er nicht durch Schwarz und Weiß, sondern durch Gelb und Blau (siehe auch in dem im folgenden analysierten Bild 'Regen, Dampf und Geschwindigkeit').
In seinen Bildern ist teilweise keine Komposition erkennbar, kaum klare Linien und keine starke Fluchtpunktperspektive, und doch schafft Turner durch Farbperspektive einen klaren Bildraum. Die Farbe stuft  den Raum einerseits durch bildparallele, streifenartige Schichtung nach hinten ab, zum anderen erzeugt sie durch kreisförmige, spiralige Bewegung einen wahren Tiefensog. Die tiefsten Stellen seiner Bilder sind jene mit den schärfsten Kontrasten, vor allem Gelb/Blau und Violett/Orange. 
Turner löst die Konturen der Objekte völlig auf, schafft durch Zerstörung der Materie eine völlig grenzenlose Welt. Er malt nicht nach der Natur, sondern wie die Natur. Die Farbe seiner Bilder folgt nicht der Form - sie erzeugt sie. Für ihn war klar, daß die Linie den Verstand anspricht, die Farbe aber die Sinne.
So ist auch der Farbauftrag weniger streng, sondern sehr ausdrucksbetont. Turner trägt Farbe verschieden dicht auf, mit  dem Spachtel, als Lasur; er verreibt sie, kratzt sie mit dem Pinselstiel ab - wichtig ist nicht feine handwerkliche Arbeit, sondern der Ausdruck mit Farbe. Seine Bilder zeigen die grenzenlose Welt, wie sie in der Romantik gesucht wird, zeigen die Landschaft als Licht und Luftphänomen, Licht und Atmosphärenerscheinungen, und immer wieder Stürme; geisterhafte Nebelschwaden und aufgewühlte See.
Dramatische Naturmomente sind seine liebsten Motive. Aber man entdeckt in seinen Werken auch immer etwas Mythologie, und auch die zeitgenössische Technik wird oft abgebildet.
Turner fertigte viele Ölgemälde an, aber auch eine große Anzahl von Skizzen und Aquarellen. Insgesamt sind uns über 20.000 Werke erhalten, darunter:
"Schneesturm auf dem Meer", 1842.Öl auf Leinwand, 91,5x122 cm
"The Dogana and Santa Maria della Salute, Venice", Washington D.C., National Gallery of Art
"Keelmen Heaving in Coals by Moonlight", Washington D.C., National Gallery of Art
"Schneesturm: Dampfboot vor einer Hafeneinfahrt"
"Norham Castle, Sonnenaufgang", 1835-1840. Öl auf Leinwand, 91 x 122 cm.London,Tate Gallery.
"Landscape with distant river and bay". Öl auf Leinwand, 94x124 cm. Paris, Musée du Louvre