Wie viele Urbilder der Psychoanalyse
kennt auch diese Vorstellung ihren antiken Mythos, die
Geschichte der Phryne, einer griechischen Hetäre, Liebesdienerin,
Priesterin der Aphrodite aus dem 4. Jh und so schön wie klug, die
wegen eines Vergehens der Asebie (Gottlosigkeit) angeklagt und vor den
Areopag gestellt wurde. Das war für die Frau eine lebensbedrohliche
Situation. Ihr Verteidiger Hyperides griff zu einem massiven Mittel, als
er dem Volksgericht als Zeichen der Unschuld ihre bloße Brust präsentierte
- eine Bildvorstellung, die der Salonmalerei des 19. Jhs den Mund wäßrig
machte. Eine der bekanntesten Darstellungen stammt von Gérôme
1861. Die Sage berichtet, daß die Strategie der Verteidigung aufging,
der Anblick der Priesterin den Rat mit heiliger Angst und Respekt vor der
Botin der Gottheit Aphrodite erfüllte und die Dame freigesprochen
wurde. Nacktheit als Zeichen von Unschuld und Natürlichkeit schwebt
wohl auch Manet vor. |