Das Bild der Frau im 19. Jh ist ganz deutlich geprägt von der biblischen Idee, die die Frau in der Rolle der Verführerin kennt. Im Kampf der Geschlechter kommt ihr die Rolle des gefühlsgeleiteten schwachen Geschlechts zu. Dieser animalische Zug läßt sich symbolisch verknüpfen mit der Schlange oder der Katze, wobei die schwarze Katze wiederum den Part des besonders geheimnisvollen, bösartig - hinterlistigen Unglücksboten spielen muß. Da mag die Haut der Frau noch so weiß, rein und unschuldig glänzen, hinter der dünnen Oberfläche oder unter den Rockschößen lauert das Verderben für den, der im Schoß der Frau seinen Verstand vernebeln läßt. Das 19. Jh kehrt in der Kombination von Frau und Katze zu einem in die Vorzeit zurückweisenden Archetypus zurück, der Sphinx. Halb Tier, halb Mensch ist die Sphinx die Verkörperung des menschlichen Zwiespalts der Natur anzugehören und doch Schöpfer einer eigenen, zweiten und geistigen Natur zu sein. 
 
 
Ferdinand Khnopff , ein Belgier, ist ein typischer Vertreter einer von Jugendstil und Symbolismus geprägten Salonmalerei um die Jahrhundertwende, einer Malerei, die heute aus vielen internationalen Museen verschwunden ist, und der in der Kunstgeschichte kaum noch Raum eingeräumt wird. Sein Bild heißt "Die Kunst, die Zärtlichkeiten oder die Sphinx". Khnopff ist auch in der Neuen Pinakothek in München mit einem Bild vertreten, in dem seine Verwandtschaft mit den englischen Symbolisten deutlicher sichtbar wird. 
Auch der Münchner Maler Franz v. Stuck hat in mehreren Versionen ein derartiges Frauenbild geschaffen, wobei die hier gezeigte Version subtiler als bei Khnopff das Katzenhafte der Frau nur durch die Haltung zum Ausdruck bringt. 

"Es gibt Kunstwerke, die den Sinn für Gemeinschaft in uns kräftigen, und andere, die uns in die Vereinzelung locken; zu diesen gehörte das Gemälde von Stuck. Diese Figur wies jeden auf einen einsamen Weg, wo er früher oder später einer ihrer lebenden Schwestern begegnen mußte."(Hans Carossa zur "Sünde" von Stuck)