Muß eine Großplastik auf einen Betrachter hin konzipiert sein?
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Eine Schülerin hat mich auf einen Artikel in der Zeitschrift "New Scientist"(10. Juni 2000) hingewiesen. Darin berichtet Graham Lawton von neueren Laseraufnahmen des David, die beweisen, daß er schielt. Marc Levoy von der Stanford Universität in Californien hat in Italien digitale Aufnahmen von Skulpturen gemacht um sie als dreidimensionale Modelle im Rechner rekonstruieren zu können. Eines der Ziele war dabei Ansichten zu ermöglichen, die einem von Michelangelo intendierten Betrachter gewöhnlich nicht möglich sind, z.B. der frontale Blick aus gleicher Höhe in Davids Augen. Dabei ist unschwer zu erkennen, daß die Augen schielen. Der David ist konzipiert auf ein frontales Betrachten des Körpers von unten herauf. In diesem Fall sieht man den Kopf im sog 3/4 Profil.  Marc Levoy versucht sich mit einer Erklärung für den Strabismus: "Michelangelo optimierte jedes Auge auf eine seitliche Ansicht vom Kopf."
Ich halte das für ein interessantes Problem kann aber in einem Punkt der Aussage von Levoy nicht zustimmen. Wenn man frontal vor dem David steht, sieht man sein linkes Auge überhaupt nicht. Levoy leuchtet das Gesicht frontal aus. Das ist ein Licht, unter dem man den David natürlicherweise nie zu Gesicht bekommt. Die Sonne als natürliches Licht würde ihn immer von oben beleuchten und dabei die Augen  erheblich verschatten.

http://www.graphics.stanford.edu/projects/mich/
Unter dieser Adresse dokumentiert Levoy sein Projekt und liefert ganz nebenbei hervorragende Aufnahmen und höchst ungewöhnliche Ansichten sowie ganz ungewöhnliche Rekonstruktionen vom altbekannten David.