Kunst im Außenraum
Christian Wagner StRef 

Lehrplan 11. Jahrgangsstufe 
2 Bildende Kunst Kunstgeschichtliche Längsschnitte: Kontinuität und Wandel

Weshalb so viele Skulpturen oder Plastiken in heutiger Zeit statt im Museum in Außenräumen aufgestellt werden, hat unterschiedliche Gründe. Dazu gehören unter anderem: ökonomische Gründe (Kosten); künstlerisch planerische Gründe (Formkomposition von Objekt und Umgebung); räumliche Gründe (Größe der Objekte); historische und politische Gründe (Denkmal, Mahnmal).

Geschichtlicher Rahmen
Für das Bedürfnis des Menschen, sich durch Bildwerke in freier Landschaft zu vergegenwärtigen, finden sich bereits aus vorgeschichtlicher Zeit viele Beispiele. Seit Jahrtausenden bestimmte das religiöse Verhältnis des Menschen zur Natur auf der ganzen Erde die bildnerischen Vorstellungen. Bildwerke und Zeichen in der Landschaft dienten den unterschiedlichsten Kulturen als vermittelnde Objekte zu einem außermenschlichen und überirdischen Dasein. Symbolisierungen entstehen aus der Notwendigkeit, dem Nicht-Wahrnehmbaren eine wahrnehmbare Form zu geben. So waren z. B. Kultsteine und Steinmonumente Gegenstände, die durch den Vollzug von Kulthandlung und der Darbietung von Opfern zum Mittelpunkt religiöser Kulte wurden. „Felswände und Felsplateaus wurden mit Gravuren und Reliefs, Kritzeleien, Schriftzeichen, Eigentumsmarken, Symbolen, Tier- und Menschenbildern versehen; diese Verewigung im Stein war eine Art Besitzergreifung und zugleich eine Chronik des damaligen Lebens (1)." Das Herauslösen eines Steines aus seinem natürlichen Zusammenhang und seine Verwendung zur Verwirklichung gedanklicher Vorstellungen ist das frühste Zeichen für die bewußte Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. Mit dem Stein verbindet sich die Vorstellung von Dauer und Ewigkeit, von Schutz und Geborgenheit. Funktionen und Bedeutungen, die ihm zugemessen werden, schließen seine Umgebung mit ein. Machtanspruch und Machtsicherung, Bittstellung, Dank und Beschwörung drängen zu bildhafter Markierung in der Landschaft. Bildwerke waren Mittel, kultische, philosophische, poetische, aber auch politische und soziale Vorstellungen zu verbildlichen. Mit zunehmender Freiheit gegenüber der Natur schwindet die sinngebende Kraft des Mythos. „Der Verlust glaubensbedingter Einheit und der Verzicht auf eine spekulative Zusammengehörigkeit von Bildwerk und Natur, also auf die vermittelnde Funktion, brachte den Wandel von der gedanklichen Verschmelzung zu einer zweckfreien Gegenüberstellung (2)." Einhergehend mit diesem Funktionsverlust geriet die freie Landschaft, je mehr der städtische Bereich an Bedeutung gewann, für Bildwerke ins Abseits. Eine Ausnahme bildeten die öffentlichen Gärten. „Ein Garten spiegelt immer die Sehnsucht der Menschen nach dem Paradies wider. Sehnsüchte entwickeln sich aus dem Zusammenleben der Menschen, und im Garten bringen sie ihr Wunschbild von der Welt zum Ausdruck (3)." So waren Skulpturen im italienischen Garten der Renaissance und vor allem im französischen Garten fester Bestandteil und Bezugsobjekt der Raumkomposition. Im 18. Jh. weckten Philosophen und Dichter ein neues Verständnis für die Natur. Die neue Hinwendung zur Natur als Zufluchtsort führte zur Veränderung von Landschaftsbereichen. Der englische Garten als Revolte gegen den Barockgarten wurde als Sinnbild des freien Menschen in seiner natürlichen Entfaltung erhoben. Mit Vorliebe wurden während dieser »empfindsamen« Epoche in der Landschaft und in den Landschaftsgärten Erinnerungsmäler errichtet. Im englischen Landschaftsgarten wurde ihnen aber nur noch eine sekundäre Rolle zur Markierung von Orten im fließenden Raum zugeordnet. Hauptziel war es, den Betrachter beim Wandern durch die Gärten, als Abfolge von Bildern gestaltet, in immer neue Stimmungen zu versetzen. Die Entwicklung der Skulpturenparks und -gärten als eine Art Freilichtmuseum für bildhauerische Werke ist dagegen erst im 20. Jh., insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg zu beobachten. Skulpturenparks, »natürliche« Ausstellungsräume im Gegensatz zum architektonischen Museum, sind oft als Außenanlagen an Museen angegliedert. Diese geben die Möglichkeit, überdimensionale Exponate, die in Räumen nicht aufstellbar sind, zu zeigen.

Die moderne Plastik hat die traditionellen Bindungen an den Garten und den Stadtraum aufgegeben und sie durch neue Freiheiten, im Bezug auf Material und Raum ersetzt.

Im städtischen Außenraum waren seit der Renaissance auf Märkten und Plätzen besondere Punkte  durch künstlerisch-bildnerische Gestaltung ausgezeichnet (Brunnen, Erinnerungsmerkmale, Figuren der Stadtgeschichte). Ihren Höhepunkt nahm die Entwicklung im 19. Jh.. Trotz des aufklärerischen Anliegens des Bürgertums verkam gegen Ende des Jh. das Denkmal zu einem rein machtpolitischen Propagandamittel mit immer aufwendigeren Kompositionen, für die alle erdenklichen Sujets und Stile bemüht wurden. Vor diesem Hintergrund sah sich die öffentliche Plastik des angehenden 20. Jhs. Sowohl die politischen Ziele als auch die künstlerische Form stießen beim Bürgertum auf Ablehnung. Die große repräsentative Rolle wurde der Bildhauerei aberkannt. „Oft etwas versteckt, in Parks oder auf kleinen Plätzen, sind Plastiken seither einer eher privaten Erbauung zufälliger Passanten empfohlen (...). Im Bereich baulicher Dekorationsaufgaben, sofern sie bei der eher funktionalen Architektur überhaupt in Frage kamen, hatten sich die neuen technischen Möglichkeiten der industriellen Fertigung fast völlig durchgesetzt. Höchstens Privatleute, Unternehmen, Vereine oder die Kirche vergaben also noch Aufträge an Bildhauer (4)." Der hohe Kosten- und Materialaufwand erschwerten ihren Weg in die Freiheit. Mit der Aufwertung der Bildhauerei durch die Goebbels-Verordnung vom 22. 6. 1934 (geregelte Auftragsvergabe) und der anschließenden propagandistischen Inbesitznahme der Bildhauerei wurde jede weitere Aufstellung von Plastiken als Denkmäler zusätzlich erschwert.

Die Bonner Politik der Nachkriegszeit war dementsprechend von der Abstinenz von größeren Denkmalvorhaben und durch Konzeptlosigkeit bei öffentlichen Aufstellungen von Plastiken gezeichnet. Die wenigen Ausnahmen waren beschwichtigende, in der Negation vereinigende Setzungen, nämlich die Setzungen von Mahnmalen, die auf Grund der Verdrängung der jüngsten Geschichte kaum im Stadtraum anzutreffen sind. Man wollte jeglichen Bezug zum Vorgänger und dessen ideologischer Indienstnahme von Kunst leugnen. Die Tendenz der Entpolitisierung sorgte für längere Zeit hauptsächlich für positiv-unproblematische und damit häufig inhaltsschwache Umsetzungen. „Diese Formen weisen jedoch kaum radikale Setzungen oder Brüche auf und haben so oft eine Tendenz zum Gefälligen, wie sie auch in den Themen vorherrscht: Familienglück, Kinder, Tiere, Darstellungen nicht entfremdeter Arbeit, volkstümliche Sagengestalten und natürlich auch der menschliche Akt (...). Weil der größte Teil der Werke eher zufällig, ohne zwingende ästhetische und inhaltliche Gründe, in die Umgebung »hineingetropft« erscheint, nennen heute Kritiker sie abwertend »drop sculptures« (5)." „Es macht keine Mühe, einen Sockel aus Naturstein, Kunststein oder Metall herzustellen und auf ihm das künstlerische Objekt zu befestigen und beides an jeden beliebigen Platz zu transportieren (...) Leichtigkeit, Beweglichkeit und finanzielle Überschaubarkeit der Sockelkunst sind die besten Empfehlungen dafür, von den Kommunalpolitikern bevorzugt ausgewählt zu werden. Für Politiker ist es wichtig, daß man sich mit einem Stück Sockelkunst nicht festlegt und jeden Wechsel der Stimmung oder Mode nachvollziehen kann (6)." Diese Voraussetzungen für einen öffentlichen Einsatz von Kunst sorgten dafür, daß nicht avantgardistische Bewegungen (die sich gerade vom Sockel lösten) zum Zuge kamen, sondern die Kunst in ihre geschichtliche Abhängigkeit vom Auftraggeber zurückfiel. Diese private Inanspruchnahme der Kunst, wie es sie schon seit der Antike gibt, wurde nur als verlagerte Form in der Öffentlichkeit dargestellt. In der öffentlichen Sphäre hatte nur Berechtigung, was auch allgemein aufgenommen und angenommen wurde. Das Bedürfnis, das Werte, Normen und Ansprüche an die Kunst stellte, machte der subjektgeleiteten Kunst den Status der Unabhängigkeit streitig.

Erwartungshaltung der 70er Jahre an die Plastik im Stadtraum
Die Versuche der Neuorientierung zu Beginn der 70er Jahre müssen als herbe Kritik an der bisherigen Kulturpolitik gesehen werden. Eine neue Generation erhob neue Erwartungshaltungen an die öffentlichen Kunst. Dem bisherigen Setzen von Denkmälern an bestimmten vereinzelten Plätzen und dem Verweis auf Bauvorhaben mit Kunst als Architekturschmuck (Kunst am Bau; vgl. 7) setzte man nun den gesamten städtischen Raum als künstlerisches Aktionsfeld entgegen.

Im Mittelpunkt des Interesses steht die Wiederentdeckung der ursprünglich kritischen und emanzipatorischen Funktion von moderner Kunst. „Die Ablehnung jeder kritischen Funktion der Kunst, die Beschränkung auf künstlerische Selbstdefinition, das Plädoyer für den Purismus des Mediums und die Institutionalisierung einer völlig autonomen Kunst im Rahmen der Gesellschaft hatten sich überlebt (8)." Der falsch verstandene Modernismus-Begriff der 50er und 60er Jahre mit einer rein ästhetisch und privat ausgerichteten Kunst wurde zugunsten eines verstärkten Dialoges mit der Lebenswelt aufgegeben. Für die nachfolgenden Jahre ist die Haltung kennzeichnend, die sich in Worten von Kasper Thomas Lenk so darstellt: „Die gesellschaftliche Isolation zu durchbrechen, muß Aufgabe des Künstlers sein, und sie ist nur zu erreichen durch eine Entwicklung zum Öffentlichkeitsprojekt, zum »Urbanwerk«.„ In diesem Anspruch spiegelt sich noch die utopische Dimension der klassischen Moderne wieder. So wollte De Stijl, Kunst im Alltag plazieren und diesen solange mit Kunst zu durchsetzen, bis die Grenzen zwischen Kunst und Leben wegen beider Gleichheit nicht als Frage der Gestalt, sondern der Verhältnisse aufgehoben seien. Lenk geht allerdings nicht so weit. Er meint auch nicht die Aufhebung der Identität von Kunst und ihrer zum Alltag differenten Gestalt, sondern deren gesellschaftliche Aktivierung im Trivialraum und wünscht sich Lernprozesse. „(...) Außenskulpturen wären Projekte (städtebaulichen Ausmaßes) der Bedrängung, Beunruhigung, Belästigung - monumental übersteigerte moralische Ohrfeigen (9)." Die Öffnung für gesellschaftsrelevante Themen führte zu einer starken Ausrichtung auf kulturpädagogische Konzepte. Staatliche Kunstförderung wurde aber in den Dienst einseitiger Erhöhung der Lebensqualität gestellt. Die Trennung der wichtigsten Lebensfunktionen in Arbeit, Freizeit, Wohnen und Verkehr sowie deren räumliche Organisation in einem „Stadt-als-Maschine-Modell„, hat die funktionalistischen Träume der Städteplaner mit der alleinigen Befriedigung elementarer Bedürfnisse zu einem Alptraum werden lassen (10). Mit Kunstprogrammen wollte man ein Gegengewicht zu der nur noch zweckhaft bestimmten Stadtumwelt schaffen, um das städtische Lebensgefühl zu steigern. So lief die avantgardistische Kunst Gefahr, von dem einen Standpunkt der autonomen Subjektivität in das andere Extrem, das der instrumentellen Vereinnahmung, zu geraten - eine Entwicklung, der vor allem das Medium der Plastik durch seine unmittelbare Beziehung zur Umgebung ausgesetzt ist. „Plastik als ausgeprägteste Form des in Erscheinungtretens von Kunst in der Öffentlichkeit wird auch in besonderem Maß die öffentliche Rolle der Kunst reflektieren, wird in besonderem Maß als Entfaltung künstlerischen, wie menschlichen Selbstbewußtseins als Ausdruck des zur Öffentlichkeit gelangenden oder strebenden Menschen definierbar (11)." „Der Glaube der 70er Jahre an politisch-aufklärerische Funktionen von Kunst führte dabei oft zur Vorgabe politischer Themen und Zielsetzungen. Mit kunstpädagogischen Motiven wurde zunehmend auf Nutzbarkeit, »Beispielbarkeit« und leichte Vermittelbarkeit (...) gesetzt (12)." Die von dem Architekten Ruhnau 1972 inszenierte „Spielstraße„ stellte Künstler und Kunst in den Dienst der Animation. Die Kunst- und Museumspädagogik dieser Jahre führte zu einer Inbesitznahme als Spiel- und Nutzkunst. Die vielen Projekte (die »Umwelt-Akzente« in Monschau 1970, die »Straßenkunst« in Hannover 1970-1973, das »Symposium Urbanum« in Nürnberg 1971) zeigten die Möglichkeit, mit der Präsentation von Kunst außerhalb von Museen, das Publikum, das die Museen nicht besuchte,  mit dieser Kunst zu konfrontieren. Kunst sollte für alle da sein. Man lief Sturm gegen den Elfenbeinturm der »hohen« Kunst, um mehr Verständnis für die Kunst zu erwirken. Neben den Museen sollten jetzt auch die als unwirklich erkannten urbanen Räume zum Aktionsfeld für Künstler und interessierte Laien werden. Im Bremer Modell wurden seit 1973 die Aufklärungs- und Demokratisierungsdebatten vorheriger Projekte noch entschiedener umgesetzt. Die Bevölkerung sollte willensbildend in den Prozeß der Entscheidung über einzelne Maßnahmen für Kunst im öffentlichen Raum einbezogen werden. Die Selbstverpflichtung des für die Vergabe von Aufträgen zuständigen Senators, nicht gegen Mehrheiten eine Kunstmaßnahme durchzusetzen, wollte dieses Demokratieverständnis untermauern. „Wohlgefallen und Befindlichkeitspflege, auch mehr Ausrichtung auf Attraktionen im Sinne des Zeitgeistes sind offensichtlich der politischen Imagepflege dienlicher, als die öffentliche Kontroverse (13)." In diesem bequemen Streben nach Zeitgeist ist auch der Grund zu suchen, wieso dieses Projekt mit zunehmendem Stimmen- und Sympathieschwund einschlief. Allerdings muß auch hinzugefügt werden, daß mehrere Projekte, wie z. B. das Konzept »Monschau«, wichtige Ansätze verwirklichen konnten. Das erfolgreiche Konzept sah vor, eine kleine Stadt wie Monschau nicht, wie ein großer Teil der Stadtbewohner dachte, mit Kunst zu verschandeln, sondern per Kunst neue Akzente zu setzen. Jene Akzente waren bewußt zeitgenössisch gegenüber einem von der Vergangenheit bestimmten Stadtbild, aber auch zeitlich begrenzt, weil anderes nachfolgen sollte. „Monschau„ war also schon im ersten Ansatz ein noch heute aktuelles Konzept, das Kunst im öffentlichen Raum als etwas Veränderbares, nicht Denkmal-Ewiges darstellt. „Die kleinbürgerliche Gewißheit von dem sogenannten „Schönen und Guten„ der Kunst, die ja mit einer besonders ausgeprägten Hartnäckigkeit in historischen Stadtkernen und in den Köpfen von den Bewohnern nistet, sollte verunsichert werden (...) (14)." Andere Projekte hingegen verzichteten bewußt auf temporäre Aktionen, bevorzugten monumentale Skulpturen statt prozessualer oder gar flüchtiger Formen der Kunst, um die Investitionsmittel »effektiv« zu verteilen.

Für die Künstler, für die in den meisten Fällen freundliche Themen ausgesucht wurden, sah man auch darin einen Anreiz: „Der Künstler braucht seine Arbeiten nicht mehr ausschließlich dort zu präsentieren, wo sie nur von wenigen aufgesucht werden: in Privathäusern, in kleinen Galerien oder auch in großen Museen. Da er aus der Erfahrung weiß, daß die Mehrheit der Menschen diese Ausstellungsräume meidet, daß also die Menschen nicht zum Künstler kommen, möchte er zu ihnen gehen (15)." In dieser euphorischen Begeisterung für den neuentdeckten Bezugsrahmen wurde aber häufiger im Hinblick auf die Präsentation von Kunst übersehen, daß es sich hierbei weniger um ein Problem der Mobilität handelt. Der missionarische Erziehungswille bleibt nicht wenig fruchtbar, wenn Setzungen von Kunstwerken im Stadtraum entstehen, die keinen reflektierten Bezug zu ihrem neuen Umraum einnehmen.
Später gab es dann Projekte, die Künstlern die Ortswahl und den Vorschlag für ein, den Situationen angemessenes Projekt überließen. Daran zeigt sich deutlich der Bewußtseinswandel von einer Position der 70er Jahre hin zu einer Auffassung, nach der ein kunstpolitisches Interesse auch gerade darin besteht, daß Künstler selber Orte und Aufgaben der Kunst außerhalb der Museen bestimmen. Diese neue Wertschätzung künstlerischer Motivation und Kreativität steht im Widerspruch zu der vorherigen Einstellung, nach der die Wahl der Orte im Interesse eines noch unerreichten Publikums getroffen wurde, und die Relevanz der Aufgabe, womöglich mit karitativer politischer Zielsetzung geplant und politisch verantwortet werden mußte. „Die Vertreter staatlicher Auftraggeber, fachkundige Kommissionen, müssen danach gelernt haben, daß sie sich - wollen sie den Charakter der Autonomie der Kunst erhalten, wollen sie die Kreativität der Künstler auch außerhalb der Museen für den öffentlichen Raum gewinnen - aus der Ortswahl und der Aufgabendefinition für die Kunst zurückziehen sollten, daß sie sich konzentrieren sollten, auf die Auswahl der Künstler und auf die Entscheidung über die Aufstellung der Objekte (16)." Eine Situation, die durch die Qualitätssteigerung der Arbeiten zwar als Verbesserung empfunden wird, aber von vielen wegen des Fehlens eines allgemeinen Bewußtseins über die Problematik der Plastik im öffentlichen Raum, als noch unbefriedigend angesehen wird. Dem einen Künstler geht es um einen sozialen und politischen Protest, der nach außen gebracht werden soll, dem anderen um die Verwirklichung ganz großer Formate, die durch Hauswände, Straßen und Plätze ermöglicht werden. Der Stadtraum wurde als unverbrauchter künstlerischer Aktionsraum angesehen, in dem sich eigene Ideologien verwirklichen ließen, der aber in gesellschaftlicher und geschichtlicher Hinsicht alles andere als ein weißes Blatt ist. „(...) ein übergreifendes Konzept über das Wo, Was, Wie und Warum der öffentlichen Aufstellung von Kunst gibt es immer noch nicht. Kritiker sprechen von »Stadtmöblierung«, denn bei der Auswahl der Werke siege weiterhin die dekorative Absicht über die innere Notwendigkeit. Vom »Herunterdemokratisieren« der Kunst ist die Rede, weil nunmehr zwar alles machbar, leicht zugänglich und schnell rezipierbar sei, aber weder die Kunst noch das Publikum dabei zu ihrem Recht einer wirklich intensiven Annäherung kommen (17)." Eine Kunst, deren Ziel es wäre, nicht die Stadt zu verändern und zu verbessern, sondern nur zu »verschönern«, ist als Form eher im Kunstgewerbe oder Design angesiedelt. Martin Warnke erkennt weder von seiten der Kunst noch von seiten der Betrachter einen substanziellen Bedarf an Kunst im öffentlichen Raum. „Das Zeitalter der Avantgarden, das durchaus noch nicht ausgedient hat, siedelt die Künstler eher außerhalb als innerhalb des öffentlichen Raumes an (18)." Für Peter Iden hingegen muß das Kunstwerk in der Öffentlichkeit stören und provozieren: es „(...) kann nur dann sinnvoll sein, wenn es so hermetisch wie möglich ist, so verschlossen wie möglich, so wenig sich anbiedernd, öffnend in den öffentlichen Raum; vielmehr sich zurückziehend, seinen Kosmos bildend und behauptend, eine Welt für sich, ohne schielenden, krummen Blick auf das Publikum (19)." Dagegen behauptete Jean-Christophe Ammann: das Kunstwerk im öffentlichen Raum müsse „(...) eine soziale, kommunikative und ästhetische Bedeutung(...)„ erlangen, wobei der „(...)Künstler, der seine Persönlichkeit in Ausstellungsräumen zu Recht als das unverfälschte Eigene zum Ausdruck bringt (...).„ zurückzutreten habe. „(...) er dient mit der Diskretion höchster Qualität einer Sache, die dem Gemeinwohl (...) auch einen funktionellen Impuls verleiht (20)." Stephan Schmidt-Wulffen behauptet: „Wir haben einen Mangel an einleuchtenden Legitimationen für eine Kunst im öffentlichen Raum (...). Nicht der Künstler, sondern die Menschen, die ein Werk benutzen, legitimieren Kunst im öffentlichen Raum (21)." Aus all den verschiedenen Ansätzen über die Bestimmung und Funktion von Kunst im öffentlichen Raum läßt sich erkennen, daß ein einheitliches Konzept nicht mehr vorhanden ist. Exemplarisch läßt sich das Werk Richard Serras nennen, dem in diesem Sinne unterschiedliche Intentionen zugeordnet werden können. Zielten seine frühen Skulpturen auf individuelle Selbsterfahrung in einer Situation latenter physischer Gefahr, so wachsen die neuen Arbeiten in eine große, öffentliche Dimension, die auf eine Kritik an der gesellschaftlichen Unterdrückung des Individuums hinzielen. So dürften in der Praxis die Grenzen für unterschiedliche Anliegen fließend verlaufen.
Dessen ungeachtet erscheint die Distanz der Bevölkerung gerade zu avantgardistischen Werken unverändert groß, wenn sie nicht sogar größer geworden ist.

(1) Clarenbach; Bildwerke in der Landschaft; Josef Keller Verlag, Freising 1983, S. 38
(2) a.a.O. S. 4
(3) Klaffke K.; Georgengarten - öffentlicher Park und Gartendenkmal; in: Romain
Lothar; Bis Jetzt. Plastik im Außenraum der Bundesrepublik, München 1990, S. 38
(4) Kassay-Friedländer A.; Zur Geschichte der modernen plastischen
Kunst in den öffentlichen Räumen Deutschlands; in: Mahabadi Mehdi, Kunst in
der Freiraumplanung, Patzer Verlag, Berlin 1990, S. 16f.
(5) vgl. Katalog: Kunst im öffentlichen Raum. Skulpturenboulevard Berlin 1987, Ber
lin (West) 1987, S. 8
(6) Eisfeld D.; Kunst in der Stadt, Stuttgart 1975, S. 124f.
(7) Nach 1945 haben wir es vermehrt mit Kunst am Bau zu tun, also mit jenen Kunstwerken, die innen oder außen irgendwie materiell mit einer erstellten Archi-tektur verbunden sind, oder die im Einzugsbereich der Architektur so aufgestellt sind, daß sich ein Bezug zur Architektur ergibt. Diese Kunst am Bau ist zumeist durch gesetzliche Maßnahmen zustandegekommen, durch den Prozentsatz der Baukosten der öffentlich finanzierten Bauten, Mittel, die für die künstlerische Ausgestaltung ausgegeben wurden (der deutsche Bundestag beschloß am 25. 1. 1950, daß bei allen öffntlichen Bauten mindestens 1% der Bausumme für künstlerischen Schmuck vorzusehen sei, ein Beitrag, der später auf 2% erhöht wurde. Dies war der Versuch, jene Integration von Kunst in das Leben per Gesetz festzuschreiben.). Es ist Kunst am Bau implizit, daß sie sozusagen architekturverschönernd, architekturverfeinernd, oder oft architekturkuschierend eingesetzt wird. Selten konnten Architekten und bildende Künstler im Sinne des Gesamtkuntwerks einheitlich wirken. Die Kunst hatte sich nach 1945 als so autonom herausgebildet, besonders die Skulptur, daß sie größte Probleme hatte, als dienende Plastik sich der Architektur unterzuordnen oder sich in die Architektur so einzuschreiben, daß wir von einer Verschmelzung sprechen könnten. Mit dem gesellschaftlichen Umbruch in den sechziger Jahren entsteht eine große Unzufriedenheit bezüglich des Problems Kunst am Bau; (ihr Scheitern ist ein typisches Beispiel für die fatalen Folgen, die sich aus jeder Einmischung politischer Interessen in die Kunst ergeben.); wir sprechen jetzt mehr und mehr von Kunst im öffentlichen Raum. Damit sind jene statischen sowie dynamischen Kunstformen gemeint, welche die Kunst und Gesellschaft als integrativen Vorgang verstehen und zunehmend Plastik zur Umgestaltung städtischer Räume vorsehen.
(Ronte D.; Mit und ohne Sockel; in: Romain L.; Bis Jetzt, a.a.O. S. 115]
(8) Fry Edward F.; Eine neue Moderne; in: Documenta 8, Kassel 1987, S. 36
(9) zitiert nach Romain L.; a.a.O. S. 21
(10) vgl. Mitscherlich A.; Die Unwirklichkeit unserer Städte, Frankfurt am Main 1965
(11) Morschel J.; Plastik; in: Schauer L.; Kunstübermittlungsformen vom Ta-
felbild  bis zum Happening; Neuer Berliner Kunstverein e. V. in der Neuen Natio-
nalgalerie Berlin 20. Mai - 26. Juni 1977, S. 23
(12) Plagemann V.; a. a. O. S. 17
(13) Romain L.; Die Herausforderung der Moderne im öffentlichen Raum; in:  Plagemann V.; a.a.O. S.236
(14) a.a.O. S. 234
(15) Eisfeld D.; a.a.O.  S. 17
(16) Plagemann V.; a.a.O. S. 19
(17) Kassay-Friedländer A.; a.a.O. S. 22; siehe auch Iden P.; in: Kunst  im öffentlichen
Raum 1987, S. 32
(18) Warncke M.; in: Kunst im öffentlichen Raum, a.a.O. S. 28f.
(19) Iden P.; a.a.O. S. 33
(20) Ammann J.; in: Kunst im öffentlichen Raum, a.a.O. S. 9
(21) Schmidt-Wulffen S.; Verstehen durch Gebrauchen, in: Volker P.; a.a.O. S. 242f.