Die Fresken im Kaisersaal   (Grundfläche 33m*17m, gemalt 1751)

Wenn man den Kaisersaal betritt, bleibt man unwillkürlich stehen um sich umzusehen, und das kommt nicht von ungefähr.
Nicht nur, daß der Kaisersaal der prunkvollste Repräsentationsraum der Residenz ist, denn er war, wie der Name schon sagt, für den Besuch des Kaisers und für große Feste vorgesehen, sondern es ist auch seine besondere Lage, die wiederum seine Bedeutung wiederspiegelt. Zum einen liegt er genau auf dem Schnittpunkt der beiden Bauachsen und nimmt das ganze Obergeschoß des Pavillons ein, der auf den Garten hinausgeht. Andererseits ist er der letzte und wichtigste Raum in der von Balthasar Neumann ausgetüftelten Raumabfolge: nachdem man den Weg vom dunklen Vestibül über die Treppe nach oben und anschließend durch den Weißen Saal zurückgelegt hat, betritt man den Kaisersaal an der westlichen Längsseite. Das bedeutet, daß sich der vor einem liegende Saal nicht längs sondern quer erstreckt. Das ist ein großer Unterschied zu dem vorigen Weg, der entweder nach oben führte oder bei dem man immer sah, wo und wie sich der Weg fortsetzte. Eben dies ist im Kaisersaal nicht der Fall. Dadurch, daß man sich nur den Fenstern, die auf den Garten hinausgehen, gegenüber sieht und auf den ersten Blick keine Fortsetzung des Weges in Sicht ist, ist man nahezu gezwungen stehenzubleiben und die Pracht des Raumes auf sich einwirken zu lassen. Kein schlechter Trick, denn wenn man sich umschauen muß, ist man auch gezwungen, die Botschaft zu registrieren, die durch die Austattung dieses Saales übermittelt wird, nämlich Reichtum, Macht und Wichtigkeit des Würzburger Fürstengeschlechts. Ersteres wird wohl vor allem durch das reichlich vorhandene Gold klar, die letzteren hauptsächlich durch Tiepolos Gemälde an der Decke, sowie an der Nord- und Südwand.

Das Hochzeitsfresko

Dieses befindet sich an der südlichen Schmalseite des Kaisersaals und stellt die Hochzeit des Kaisers Friedrich Barbarossas mit Beatrix von Burgund dar, die 1156 in Würzburg stattfand. Diese Hochzeit war für die Würzburger ein bedeutendes Ereignis und wird somit an dieser Stelle gewürdigt. Tiepolo hat das Fresko so konzipiert, daß man es von links sowie von rechts "lesen" kann. Er achtete also auf die verschiedenen Betrachtungsweisen: zum einen wie schon erwähnt vom Eingang, zum anderen von der Mitte des Saals aus. Wenn man an der Tür steht und den Blick nach rechts schweifen läßt, so betrachtet man das Bild von rechts nach links; wenn man in der Mitte des Saals steht, liest man es wie gewohnt von links nach rechts. Wir gehen im Folgenden davon aus, das Bild vom Saaleingang aus zu betrachten.

Von der rechten Seite aus wird man durch eine eng zusammenstehende Figurengruppe in das Bild eingeführt. Sie besteht aus Teilen des Hofstaats, Hofdamen, Fahnenträgern und einigen Fürsten sowie Kardinälen. Am unteren Ende der Treppe, die im Mittelpunkt des Bildes ist, hat sich der Hofnarr niedergelassen, dessen Körperhaltung auf die Hauptpersonengruppe verweist: Beatrix, in einem weißen Kleid und einem blauen Umhang, an ihrer rechten Seite, welche damals die Ehrenseite war, kniet Friedrich Barbarossa. Beide wirken unbeteiligt, sein Blick ist auf den Bischof gerichtet, der einige Stufen über ihm vor dem Altar steht und die Hand zum Segen erhoben halt. Mit der linken Hand umfaßt er einen goldenen Krummstab. Das Interessante an dieser Figur ist, daß er im Profil zu sehen ist, seine Mitra allerdings fast von vorne. Außerdem tragt er die Züge von Karl Philipp von Greiffenclau, der ca. 500 Jahre später lebte. In Wirklichkeit vollzog Bischof Gebhard die Trauung. Auch bei den Gesichtszügen und der Figur der Braut wurden, wie damals üblich, die Tatsachen etwas verfälscht. Sie sieht im Fresko nicht wie eine Zwölfjahrige aus, die sie damals war, als sie den 37 Jahre alten Barbarossa heiratete. Links vom Bischof befindet sich eine weitere Personengruppe, bestehend aus einem Priester, zwei Pagen und einem Mann in rot, der für den Brautvater gehalten werden kann. Sie knien alle auf der Treppe. Stehend dahinter halten sich zwei reich gekleidete Manner auf, von denen einer eine Fahne in der Hand halt. Im Hintergrund ist auf einem Balkon eine Musikantengruppe zu sehen, die das ganze nach oben abschließt. Durch die Architektur des Raumes, in dem die Hochzeit stattfindet, legte sich Tiepolo weder auf eine bestimmte Zeit, noch auf einen bestimmten Raum fest. Auch die Kleidung der Figuren entspricht überhaupt nicht der Mode, die 1156 herrschte, allerdings kleidete der Maler die Leute in einem Stil, der seinen Zeitgenossen altertümlich vorkommen mußte (z.B. Spitzenkragen). Begrenzt wird das ganze Gemälde durch einen blau-goldenen Stuckvorhang, der von Bossi, dem Stuckateur, und Roth, dem Vergolder, nach Tiepolos Vorstellung ausgeführt wurde.

Das Belehnungsfresko

Ein ähnlicher Stuckvorhang stellt auch den Rahmen des Belehnungsfreskos dar. Hier, an der nördlichen Schmalseite, sieht man die Belehnung Bischof Herolds mit dem Bistum Franken, die 1168 stattfand. Auch dieses Ereignis wurde gewält, da es einen engen Zusammenhang zwischen Würzburg und dem Kaiser Barbarossa herstellt, da er derjenige ist, der Bischof Herold den Lehenseid abnimmt. Übrigens trägt der Bischof auch hier wieder Greiffenclaus Gesichtszüge. Zuerst sollte gesagt werden, daß sich diese Szene im Freien abspielt, so wie es damals üblich war. Links im Hintergrund ist ein Torbogen zu sehen, außerdem Landschaft und offener Himmel. Das eigentliche Geschehen findet, wie auch im Hochzeitsfresko, auf Stufen statt, an deren Ende der Kaiser auf seinem Thron sitzt. Unter ihm, genau auf der Mittelachse des Bildes, kniet der Bischof, der gerade mit den Schwurfingern (Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand) das Zepter berührt, das Barbarossa ihm entgegenstreckt. In der linken Hand hält er die rot-weiße Fahne seines Herzogtums und er hat sich dem Kaiser so zugewendet, daß man ihn als Zuschauer nur noch im Profil sieht. Unter seinem rot-weißen Hermelinumhang trägt er ein dunkelblaues Gewand, das ihn aus seiner Umgebung herausstechen läßt. Der Kaiser selbst ist ganz in Gelb- und Rottönen gekleidet. Auch er trägt einen Hermelinumhang, aber in gold-rot und einen Spitzenkragen. Er sitzt in entspannter, fast etwas gelangweilt erscheinender Haltung auf seinem Steinthron, mit einem Lorbeerkranz gekrönt. Der Thron ist flankiert durch zwei Statuen, Herkules und Minerva, die für Tugend und Weisheit stehen. Seine Lehne besteht aus zwei Engeln, die eine große Muschel zwischen sich halten. Natülich gibt es auch in diesem Fresko, das sich genau gegenüber des Hochzeitsfreskos befindet, eine Personengruppe, die auf die Hauptgruppe hinzielt. Die erste Figur auf der untersten Stufe ist ein Hellebarde, dessen Waffe aus dem Bild und durch Tiepolos Signatur zu ragen scheint. Hinter ihm erheben sich die anderen Personen - Fürsten und Würdenträger. Besonders auffällig sind die Pagen und ein Mann im Hintergrund, der von einer großen Schriftrolle vorliest, welche wohl die Bestätigungsurkunde der Belehnung ist. Die Pagen sind alle drei in blau gekleidet und befinden sich direkt hinter dem knienden Bischof. Der Vorderste wendet sein Gesicht dem Betrachter zu und hält eine Pluviale (Bischofsumhang) bereit. Ein Hinterer trägt das Kissen mit der Krone. Die Personengruppe im rechten Teil des Bildes wird größtenteils durch die vorderste Figur - einen Fahnenträger - verdeckt, der dem Betrachter den Rücken zuwendet. Nur der Erzmarschall, der dem Thron am nächsten steht und ein blankes Schwert geschultert hat, ist deutlich zu sehen. Zu seinen Füßen, auf einer Marmorsäule, sitzt ein Hund, der dem Betrachter auf den ersten Blick etwas komisch vorkommt, weil er einen Kontrast zur restlichen Szenerie darstellt. Für Tiepolo war er wohl ein Symbol der Treue, um die es bei dem dargestellten Eid geht. Dieser Hund hat noch eine weitere merkwürdige Eigenschaft. Zum einen muß man mehrmals hinschauen, um festzustellen, daß er gemalt und nicht plastisch ist, zum anderen verändert er seine Proportionen, wenn man, den Hund anschauend, den Kaisersaal durchquert. Zuerst wirkt er sehr schlank, am Ende eher klein und dick.

Das Deckenfresko

Öfter hinaufsehen muß man auch zur Decke, wo Beine eines Flußgottes und einer Nymphe herauszuragen scheinen, genauso das Tuch auf dem sie sitzen. Wir mussten schon sehr genau hinsehen und hätten uns fast darüber gestritten, ob diese Teile gemalt sind, oder nicht. Sie sind in Wirklichkeit aus Stuck.
Als Motiv für dieses Deckenfresko, daß sinnvollerweise die beiden Wandfresken miteinander verbinden sollte, wurde eine Himmelsszene gewählt, in der Prinzessin Beatrix, als Personifikation Burgunds, dem Genius des Reiches, zugeführt wird. Eigentlicher Mittelpunkt des Ganzen ist der Sonnenwagen, in dem Apoll Beatrix über den Himmel auf die rechte Seite des Freskos befördert. Dort wartet der Schutzherr (=Genius) des Reiches mit offenen Armen auf sie. Über ihm schwebt die Ruhmesgöttin Fama, im Hintergrund ist eine Allegorie der Religion. Zwischen ihnen fliegt ein Putto (kleiner Engel), der ein Schwert vor sich herträgt, das auf einen Mann weist, der am Fuße des Sockels sitzt. Daraus und aus der Tatsache daß er prächtig gekleidet ist und einen Pagen und Fahnenträger, die unter anderem die fränkische Fahne halten, bei sich hat, kann man schließen, daß hier Friedrich Barbarossa gemeint ist.
Ansonsten tummeln sich in diesem Himmel viele weitere Engel und Götter, wie der schon erwähnte Flußgott Nil, der vor dem Steinsockel Platz gefunden hat. Auf der linken Seite, unterhalb des Brautwagens, sind mehrere dunkle Wolken, auf denen Bacchus, Venus, Amor und eine Fruchtbarkeitsgöttin zu sehen sind. Um das Ganze abzuschließen, befindet sich genau über den Pferden, die den Sonnenwagen ziehen, der Hochzeitsgott Hymen, der eine Fackel vor sich herträgt.
Im Kaisersaal entsteht eine totale Verschränkung der Zeiten. Das eher antike Thema des Deckenfreskos wird durch die Seitenfresken mit mittelalterlichen Motiven gemischt. Zusätzlich ist das Ganze in barocker Malweise dargestellt.
Das Licht, das durch fünf halbrunde Fenstertüren und durch Fenster innerhalb der Gewölbezone den Raum erfüllt war für Tiepolo ein wichtiger Faktor, denn er richtete sich bei der Anordnung der Seitenfresken, die zuerst anders geplant war, schließlich nach dem Lichteinfall.
Zum Kaisersaal muß man noch sagen, daß hier auch Giandomenico (Tiepolos ältester Sohn) die Gelegenheit hatte, sein Können zu zeigen, indem er alleine die drei Supraporten (Ölgemälde über den Türen) schuf. Zusätzlich malte vermutlich er nach Entwürfen seines Vaters die grünen Fresken in den Stichkappen des Gewölbes. Sie stellen verschiedene Personifikationen (z.B. des Glaubens ...) dar.
Schon am 8.Juli 1751 bei der Enthüllung des Deckenfreskos, welches Tiepolo als erstes malte, waren die Auftraggeber so begeistert von Tiepolos Malerei, daß sie ihm die Ausmalung des Treppenhausgewölbes anvertrauten. Es muß jedoch gesagt werden, daß der Kaisersaal nur durch die Zusammenarbeit der Maler, des Stuckateurs Antonio Bossi und des Vergolders Franz Ignaz Roth zu dem wurde, was er heute immer noch ist, nämlich das Kernstück der Residenz und ein Gesamtkunstwerk an sich.