..
Zum Impressionismus

von Uli Schuster

Als Courbet 1855 seinen Pavillon "Le Réalisme" eröffnet, ist Renoir gerade 14 Jahre alt, Monet 15, Sisley 16, Degas 21, Manet 23. Seurat und Signac sind noch gar nicht geboren. Cezanne drückt mit Zola in Aix en Provence die Schulbank. Dies ist eine Generation französischer Maler, die der europäischen Kunst völlig neue Maßstäbe aufprägen wird. Sie selbst verstehen sich in der Mehrzahl zunächst als Realisten im Gefolge Courbets und wollen damit hauptsächlich eine Abgrenzung herstellen zu den Künstlern, die sich einer akademischen Tradition folgend an literarischen Ideen und Idealen orientieren. Deren Hauptvertreter ist in der Mitte des Jahrhunderts Ingres ein Schüler Davids. (siehe auch eigene Seite im kusem zum Realismus)
Ingres ist gerade am Höhepunkt seiner Karriere angelangt und wird mit Ehrungen überschüttet. Delacroix ist noch Herausforderer als Vertreter der Romantik, Courbet schmollt, weil seine Riesenschinken, "Das Atelier" und "Das Begräbnis" von der Jury der Weltausstellung 1855 zurückgewiesen wurden. Rousseau, einer der Hauptvertreter der Pleinairmaler aus Barbizon, belegt auf der Weltausstellung mit seinen Bildern immerhin einen ganzen Saal. Für das Zeitgenössische Kunstpublikum gilt immer noch der Klassizismus als die ästhetische Norm und die Romantik als die kommende Kunst. Vom Realismus will man noch wenig wissen.
.
Ingres, Jupiter und Thetis. 1811
Kein Wunder, daß für die nachkommende Generation der Klassizismus der akademischen Lehrer zwar die Ausbildungsgrundlage darstellte (Monet, Renoir, Sisley, Bazille lernen sich im Atelier ihres gemeinsamen Lehrers Gleyre kennen), während aber die heimliche Sehnsucht dem Realismus galt, der sich zunehmend lautstark und mit wachsender Vehemenz gegen die idealistische Schönfärberei der Klassizisten wandte. In gewisser Weise gehen die Realisten konform mit den Romantikern (insbesondere Delacroix wir verehrt). Gemeinsam stellen sie dem akademischen Primat der Zeichnung die Forderung nach einem Vorrang der Farbe gegenüber. Der klassizistischen Vorstellung vom Meisterwerk als einer makellosen, vollendeten und dann auch zeitlosen Schöpfung stellt bereits die Romantik die Idee des Unvollendeten, fragmentarischen entgegen. Auch daran knüpfen die Realisten und insbesondere die Impressionisten an, indem sie den Faktor der Zeit in die Werkvorstellung integrieren, die momentane Impression, den flüchtigen Augenblick, das Skizzenhafte und das Serielle, Prozesshafte in den Vordergrund rücken.
Delacroix, "Massaker von Chios", 1824

Pleinairismus
In der Mitte des 19. Jhs wurde es zunehmend zur Mode im Freien zu malen. In manchen europäischen Hauptstädten gab es regelrechte Wanderungsbewegungen der Künstler in die ländlichen Vororte, wo man billig wohnen konnte, seine Verbundenheit mit dem "natürlichen" und einfachen Leben demonstrieren konnte und von Landschaft und ihren Malerfreuden rundherum umgeben war. Das neue Verkehrsmittel Eisenbahn spielt hier keine unwesentliche Rolle und der Vertrieb von malfertigen Ölfaben in Tuben erleichtert die Entwicklung nicht unerheblich, weil sie das Malen weitgehend unabhängig vom Atelier erlaubt.
Qualitativ ist die Malerei im Freien scheinbar nichts Neues. Leonardo und Dürer haben es getan. Constable und Friedrich haben es getan. Neu aber scheint, dass es zu einer Massenbewegung wird, und neu daran ist, dass es nicht mehr um das Studium der Natur zur Vorbereitung größerer Arbeiten der Historienmalerei, Genremalerei oder auch idealer Landschaften ging, sondern um ein sich selbst genügendes Einfangen von Wirkungen, wofür auch die Begriffe Motiv und Impression stehen. 
Wir kennen das von Barbizon, einem kleinen Dorf bei Fontainebleau, wo Théodore Rousseau seit 1836 zum geistigen Haupt einer "Schule von Barbizon" (Millet, Daubigny, Corot) wurde. Wir kennen das aber auch von Dachau, wo unter anderem Leibl in den 70er Jahren begann einen Kreis Gleichgesinnter um sich zu versammeln. Worpswede in der Nähe von Bremen wuchs erst in den 90er Jahren zu einer Künstlerkolonie heran.
Während einerseits Dörfer an den Stadträndern zu Künstlerkolonien wurden, entwickelte sich in den Metropolen eine Bohéme mit gewissen Lokalen, meist Cafés, als Treffpunkten für die verschiedenen "Lager" und "Schulen". Dort traf man Gleichgesinnte, diskutierte die diversen Kontroversen rund um den Salon und die Konflikte der gegensätzlichen Stile und Glaubensbekenntnisse. Bei aller Suche nach Gleichgesinnten ist der Maler des 19. Jhs - und gerade der Impressionist - aber ein Einzelgänger, der als Individualist und eigenwilliger Autor mit seiner Leinwand alleine kämpft. Von einer Arbeit im Team oder von einer Werkstattgemeinschaft im Sinn etwa der Schule Raffaels ist von den Impressionisten nichts bekannt.
Bis 1874 begriffen sich all die modernistisch gesinnten Pariser Maler mehr oder weniger dem Realismus verbunden, der damit ein Sammelbecken wurde für all jene, die der akademischen Malerei und der Art und Weise, wie sie in den Schulen der Historienmaler vermittelt wurde, distanziert, kritisch oder offen ablehnend gegenüberstanden. Das Programm Courbets war dadurch in mehreren Punkten erweitert, durchbrochen, modifiziert worden. Das 19. Jh war eine politisch sehr zerrissene Zeit, geprägt von Kriegen, sozialen, ökonomischen und politischen Umwälzungen, die auch in der Kunst zu Polarisierungen der Künstlerschaft untereinander und zwischen Künstlern und ihrem Publikum führte. (dazu eine eigene Seite im KUSEM)

Das Bild zeigt die "Ährenleserinnen" von Millet, 1857, wie ich vermute eher nicht vor der Natur gemalt!

.
Wie ist der Gegensatz von Thema (Sujet) und  Motiv in der Malerei zu erklären?
Das Interesse an einem klassizistischen Gemälde war in der Hauptsache begründet durch das Thema, das im Bild bearbeitet wurde. Im Thema enthalten war der geistige und moralische Anspruch, mit dem der Autor den Wert seiner Kunst begründete. Deshalb konnte eine simple Landschaft nicht den gleichen ideellen Anspruch erheben wie ein Historienbild. Das edle Thema und seine würdige Bearbeitung machten ein Gemälde zu einem Kunstwerk, dessen Gehalt den Betrachter zu geistigen Höhen erhebt.
Während der Historienmaler stets auf der Suche nach dem idealen Thema war, sucht der Impressionist nach dem eindrucksvollen Motiv. Den Impressionisten interessiert eine Landschaft nicht als Schauplatz historischer Begebenheiten, sondern als optischer Eindruck, als sinnlicher Reiz. Monet hat den Charakter des Motivs in einem sehr drastischen Beispiel erklärt.
"Meine Besessenheit für Farbe ging so weit, daß ich mich eines Tages, als ich am Totenbett einer Frau stand, die mir sehr viel bedeutet hatte und noch bedeutet, dabei ertappte, wie ich auf ihre Schläfen starrte und automatisch die Abfolge entsprechend abgestimter Farben analysierte, die im Tod ihr regungsloses Antlitz erobert hatten. Es gab blaue, gelbe, graue Farbtöne - Töne, die ich gar nicht beschreiben kann. So weit war es mit mir gekommen."
Der Impressionismus erhebt die Gleichgültigkeit des Malers gegenüber den konventionellen (historischen, literarischen, gesellschaftlichen) Aspekten seines Motivs zum Programm der Malerei. Manet: "Ich will ganz Auge sein". In Analogie zur Naturwissenschaft abstrahiert der Maler sein Objekt zum Motiv "Natur", reduziert die "Natur" auf das möglichst unvoreingenommen auf den optischen Sinn einwirkende Sehereignis. Das Auge wird so in der Vorstellung der Impressionisten zu einem unvoreingenommenen, wertfreien Sehapparat, dem fotografischen Objektiv vergleichbar.
.
Voraussetzungen
Der Impressionismus ist nicht auf dem Boden der Malerei allein entstanden. 1839 wird die Photographie von Daguerre zum französischen Patent angenommen. 1855 meldet Poitevin den Lichtdruck und die Photolithographie zum Patent an. 1869 veröffentlicht Ducos du Hauron die Theorie der subtraktiven Dreifarbenphotographie. 1878 bringt Ben Day sein Rapid Shading Medium auf den amerikanischen Markt und 1881 meldet Meisenbach die Autotypie zum Patent an. Allen Erfindungen gemeinsam gilt:  Der Chemiker Chevreul spielt für die Spätphase des Impressionismus eine tragende Rolle. Dieser hatte 1839 seine Erfahrungen aus der Gobelinweberei, wo aus farbigen Fäden Bildteppiche gewoben werden, zu einer wissenschaftlichen Farblehre verarbeitet, die insbesondere Seurat und Signac zu einer Systematisierung impressionistischer Technik anregten. In jedem Fall hatte die Malerei der fotografischen Technik noch für Jahrzehnte die Farbe und das Format voraus. In den Augen der Impressionisten war die Malerei der Fotografie sogar darin überlegen den zeitlichen Moment, den Augenblick einzufangen.
.
Merkmale: Woran erkennt man den Impressionismus?
Die Stilkunde ist bestrebt einen Stil zeitlich einzuordnen und sucht gern nach einem 'ersten'... Bild. In diesem Sinn steht Monets Bild von 1872 "Impression soleil levant" aus stilkundlicher Sicht heute am Anfang des Impressionismus. Dieses in Le Havre gemalte Bild verschaffte auf der ersten Ausstellung der Impressionisten 1874 der ganzen 'Bewegung' einen Namen durch die spöttisch gemeinte Titulierung eines Kritikers (Louis Leroy). Bis 1886 kam es zu insgesamt acht solchen Gruppenausstellungen, dann  waren offenbar die Unterschiede so deutlich geworden, daß der ursprüngliche gemeinsame Konsens verloren war. Monet, der impressionistischste Maler der Impressionisten, starb erst 1926. Da hatte die Welt bereits den Symbolismus, den Jugendstil, die Vauves, den Expressionismus, den Kubismus, Dada, den Futurismus und die Surrealisten kennengelernt. Monet blieb bei seinen Landschaften und Seerosen und der Impressionismus starb, wie andere Stile davor und danach mit seinen Vertretern oder ging als Erbe bei seinen Nachkommen auf, die natürlich etwas Neues daraus machten. 
Die Stilkunde ist bestrebt Merkmale zu benennen, an denen sich ein Stil erkennen läßt. Vom Impressionismus wird gesagt, daß er sich für Landschaft, Licht, Luft, Atmosphäre, Farbe interessierte. Aber Impressionisten haben auch in Städten gemalt, Bahnhöfe, Kathedralen, Parks, Volksfeste. Von Impressionisten gibt es Portraits und Genrebilder, selbst Versuche in Historienmalerei lassen sich in den Anfängen finden. Auch die Malerei im Freien ist zwar ein Glaubensbekenntnis, läßt sich aber nicht jederzeit realisieren. Impressionisten, selbst die sog. Pleinairisten, haben auch im Atelier gemalt. Von Impressionisten wird gesagt, sie hätten eine leicht erkennbare Maltechnik gehabt, kurze komma- oder punktartige Pinselstriche (Pointillisnus) in Primamalerei ohne Vorzeichnung und erarbeitete Komposition auf die Leinwand aufgebracht. Auch das ist eine vereinfachende Aussage.
Zum Farbauftrag: .
Der Ausschnitt aus Manets "Serviererin" von 1878 zeigt, daß Manet den Pinselstrich hier im Sinn einer Beschreibung von Materialqualität einsetzt.Die Haut der Frau, die dahinter liegende Tapete und der diffuse rote Raumhintergrund sind durch stark unterschiedliche Farbaufträge charakterisiert.
Seurat hingegen belegt in den hier gezeigten Bildern Figur und Grund mit einem unterschiedslosen Muster. Auffallend sind die unterschiedliche Größe und Richtung seiner Striche in der Vorstudie gegenüber der ausgearbeiteten Form. Je mehr er sich in zahlreichen Vorstudien seinem Ziel nähert, desto kleiner und vielzähliger werden seine Farbtupfer. 
Zwei Studien zu Les Poseuses von 1886/87 Öl auf Holz, Ausschnitte ca 10 cm hoch.

.
Cezanne setzt seinen Pinselstrich sehr unterschiedlich ein. In diesem Gesichtsausschnitt verwendet er die Richtung des Farbaufstrichs in einer stereometrisierenden Weise. Er gibt der Gesichtsoberfläche in einzelnen Abschnitten, Facetten = Teilflächen eine verschiedene Raumrichtung vergleichbar einer groben Schraffur. 
Die gleichförmigen, sichelförmigen Striche im Hintergrund der Figur charakterisieren in der Größe und Form das Laub im Hintergrund der Figur. 
Die Hautfarbe des Akts gibt neben ihrer Eigenfarbe (Lokalfarbe) Reflexe wieder, die von der Umgebung stammen. Der Umriß der Figur ist an einigen Stellen durch Schwarz deutlich gemacht, ohne daß die Form jedoch im klassischen Sinn geschlossen vor dem Hintergrund steht. Vielmehr öffnet sich der Umriß an einigen Stellen und geht dort fließend in den Hintergrund über. Wenn man entscheiden wollte, ob man das Schwarz der Kontur zum Körper oder zum Hintergrund rechnen soll, scheint eher das erstere der Fall zu sein. Es handelt sich also um eine Art Körperschatten.
"Un Baigneur", 1879, Ausschnitt ca 15 cm hoch 
In der Farblithografie jener Zeit wird der Pointillismus zum regulären Verfahren. Hier der Ausschnitt aus einer Hand. Für die Drucke wurden oft sechs oder mehr manuell hergestellte Farbauszüge übereinandergedruckt. Die Punkte sind ohne Lupe gerade noch erkennbar und nehmen in Handarbeit das Ergebnis vorweg, das durch den von Maisenbach erfundenen Rasterdruck bald auf fotografischem Weg hergestellt werden kann. Die Lithografie setzt hier die Theorien des Neoimpressionismus konsequenter um als die Malerei.
Wenn man genau hinschaut, dann finden sich bei den Impressionisten durchaus verschiedene Auffassungen vom 'Komma' und von Komposition. Der Neoimpressionismus kehrt mit Seurat wieder zur Bildkonstruktion zurück. 
Von den Impressionisten wird gesagt, sie hätten eine völlig neue Farblehre erfunden, wonach die Schatten nicht grau sondern farbig darzustellen seien, Plastizität nicht durch Modellierung der Lokalfarbe darzustellen sei, Weiß und Schwarz völlig aus der Palette zu verbannen sei, die Farben nicht mehr auf der Palette zu mischen seien, sondern rein auf die Leinwand aufzutragen sei. Mischung der Farben ist dann eine Aufgabe des wahrnehmenden Auges (Divisionismus). Seurat verwendet sowohl Schwarz als auch Weiß, allerdings nie in geschlossenen Flächen. Er formt seine Figuren sehr plastisch, erzeugt das 'Grau' für die Körperschatten allerdings durch ein Nebeneinander von z.B. orangen und blauen Punkten.
Bei genauer Betrachtung existiert keine einheitliche Farbtheorie der Impressionisten. Wenn es dennoch so etwas ähnliches gibt, dann setzt sich das Gebilde 'Impressionistische Farblehre' aus einigen zentralen Kategorien zusammen, um die die Gedanken, Experimente, Beobachtungen der Impressionisten kreisten, und zu denen es von einzelnen Künstlern die eine oder andere in Briefen und anderen verstreuten Stellen selbst geäußerte oder zitierte Meinung gab: Freilichtmalerei, Vorliebe für sonnige, lichtdurchflutete Motive und eine atmosphärische Beleuchtung, wenig Bedeutung der Lokalfarben, Betonung von Farbe und Fleck im Gegensatz zu Zeichnung und Linie, Betonung des visuellen- gegenüber dem taktilen Empfinden, Bevorzugung kräftiger Farbklänge durch ein Nebeneinander auch komplementärer Töne. 
Cezannes Badende leben meist von einem komplementären Kontrast von Blau (Himmel, Wasser) zu Orange (Körper, Haut). Im nebenstehenden Beispiel wird deutlich, wie der Maler in der Farbe der Körper auf den Hintergrund reagiert. Vor dem grünen Hintergrund bekommt die Hautfarbe einen deutlich roten Ton. Andererseits reflektiert die Haut in einigen Passagen die Farbe des Hintergrunds.
Modulation von Farbe im Gegensatz zu Modellierung mit Farbe. Mit der Ablehnung von Linie und Modellierung erhebt die Malerei erstmals auch den Anspruch als führende Kunstgattung gegenüber Plastik und Architektur. Die Äußerung von Pissarro dürfte jedoch der Wahrheit entsprechen: "Ich erinnere mich, daß ich trotz meines Feuereifers noch mit vierzig Jahren keineswegs die große Bedeutung der Richtung ahnte, die wir instinktiv eingeschlagen hatten."
Die plastische Form entsteht bei Seurat aus einer gestuften Abfolge von Tönen der gleichen Farbe (=Modulation). Blau nimmt nach rechts hin in der Sättigung, aber auch in der Dunkelheit zu. Außerdem wächst der Anteil und damit die Dichte der blauen Punkte. Gleichzeitig intensiviert sich Orange in Richtung auf Rot. Die Überlagerung beider Töne erzeugt ein Violett. Durch die Form der Punkte, die nach rechts zunehmend enger und runder werden, hilft Seurat der Modulation durch einen der Schraffur vergleichbaren Effekt nach.

"Das Motiv soll mehr auf der Form und Farbe als auf Zeichnung hin betrachtet werden. Es ist unnötig eine Form zu umgrenzen; sie kann auch ohne dies zur Geltung kommen. Genaue Zeichnung wirkt hart und schadet dem Gesamteindruck; sie zerstört das Gefühlsmoment. Grenzen Sie also die Umrisse der Dinge nicht zu scharf ab; der im Tonwert richtige Farbfleck muß die Zeichnung ergeben. Die Schwierigkeit bei einer großen Form liegt nicht in der exakten Wiedergabe der Kontur, sondern im Malen dessen, was sie enthält. Malen Sie die wesentliche Eigenart der Dinge, versuchen Sie diese auf irgendeine Weise darzustellen, ohne sich mit der Technik abzuplagen. Hat man ein Motiv gewählt, muß man sehen, was sich rechts und links von ihm befindet, und an allem gleichzeitig malen. Arbeiten Sie nicht Stück für Stück, tragen Sie überall Farben auf in genauer Beobachtung der Tonwerte im Verhältnis zur Umgebung. Malen Sie mit kleinen Pinselstrichen und versuchen Sie, Ihre Wahrnehmungen sogleich festzuhalten. Das Auge darf sich nicht auf einen bestimmten Punkt konzentrieren, sondern muß alles aufnehmen und dabei die Reflexe der Farben auf ihre Umgebung beachten. Arbeiten Sie nebeneinander am Himmel, an den Zweigen und an der Erde, und verbessern Sie immer wieder, bis das Ganze stimmt. Bedecken Sie schon in der ersten Sitzung die ganze Leinwand und arbeiten Sie, bis es nichts mehr hinzuzufügen gibt. Beobachten Sie die Luftperspektive genau vom Vordergrund bis zum Horizont, den Widerschein des Himmels und des Laubes. Haben Sie keine Angst, kräftig Farbe aufzutragen; verfeinern Sie nach und nach die Arbeit. Gehen Sie nicht nach Regeln und Prinzipien vor, sondern malen Sie, was Sie wahrnehmen und empfinden. Malen Sie flott und ohne Zögern, denn es ist wichtig, den ersten Eindruck festzuhalten. Nur keine Schüchternheit vor der Natur! Man muß kühn sein, auch auf das Risiko hin sich zu irren und Fehler zu machen. Es gibt nur einen Lehrer: die Natur. Sie sollte man immer befragen."
Pissarro wiedergegeben durch seinen 'Schüler' Louis Le Bail, zitiert aus Rewald "Die Geschichte des Impressionismus"
.
 
Begriff Impression und Werkverständnis
Im Katalog zur Ausstellung "Impressionismus - Wie das Licht auf die Leinwand kam" gehen die Autorinnen Schaefer, von Saint-George und Lewerentz der Begriffsgeschichte des Worts Impression nach. Im Larousse von 1873 stoßen sie auf zwei verschiedene geläufige Definitionen: 
 
"Zunächst bezeichnete der Begriff <impression> die erste Farbschicht, die auf eine Leinwand oder etwa auch eine Holztafel aufgetragen wurde, womit also eine Grundierung gemeint ist. Erst danach fiel der <impression> die Bezeichnung für einen Sinneseindruck zu." ( Katalog S.19)

In der Ölmalerei gibt es seit der Renaissance den Begriff der Imprimitur für die diversen Techniken der Grundierung. Dumonts "Handbuch der Gemäldekunde" versteht undter Imprimitur "Eine dünne Farblage, die direkt auf der Grundierung liegt".

Damit kennzeichnet der Begriff Impression auch ein neues Werkverständnis in der Kunst, das ein zeitliches Moment in den Akt der Wahrnehmung von Natur und damit auch in den Herstellungsprozess eines Bildes dieser Natur impliziert. Seine Faszination für den Augenblick, den flüchtigen Moment, die Vergänglichkeit und Veränderlichkeit einer Wahrnehmung gibt dem skizzenhaften Charakter der Bildfindung, aber auch der Bildreihe einen neuen Wert. Damit stellt sich auch die Frage neu: Wann ist ein Bild fertig? Der Klassizismus sieht das Bild noch als zeitlos und damit der Ewigkeit verpflichtet an. Der Realismus trägt der Erkenntnis Rechnung, dass jede Wahrnehmung und damit jede im Bild festgehaltene Wahrheit ein Verfallsdatum impliziert. Der Impressionismus erhebt dieses neue Werkverständnis zum Programm.
 

Zum Kunstbegriff nach dem Impressionismus
Realismus und Impressionismus brechen auf eine radikalere Weise als je zuvor seit der Renaissance mit der Vorstellung vom Künstler und dem Begriff der Kunst. Aber sie stehen an der Schwelle zur Moderne und bereiten erst einen Prozeß vor, dessen Radikalität noch kaum sichtbar wird.
 
"Die Geschichte der Moderne, die Ende der 80er Jahre des letzten(19.) Jahrhunderts begann, ist die Geschichte der Dekonstruktion eines Kunstbegriffs mit einer mehr als fünfhundertjährigen Entwicklung. Kunst mußte nicht mehr schön sein; sie brauchte nicht mehr anzustrengen, ... sie brauchte kein malerisches Sujet mehr;  mußte ihre Formen nicht mehr im Bildraum entfalten; brauchte nicht länger das magische Produkt der künstlerischen Berührung sein."(Danto)

Mit dem Impressionismus wird es für eine sich jeweils als Anantgarde empfindende Generation junger Künstler zur Mode die Grenzen des jeweils zeitgenössischen Kunstverständnisses zu sprengen.
Der Impressionismus gilt allgemein als eine heitere, problemlose, hübsche, dekorative Kunst. Seine Motive lassen sich hervorragend zu Kalenderblättern verarbeiten und dekorieren gleichermaßen bürgerliche Wohnzimmer wie Arztpraxen oder Sparkassenhallen. Das destruktive Moment, das die Zeitgenossen in diesen Bildern sahen, ist heute kaum nachvollziehbar, da auch die Bildwelt, gegen die sich der Impressionismus stellte, heute keinesfalls in Schulbüchern und fast ausschließlich noch im Museum zu finden ist, und dort weitgehend in Magazinen, zu denen Publikum kaum Zutritt hat. Zur Salonmalerei der Mitte des 19. Jhs fehlt uns heute weitgehend das Verständnis. Sie spiegelt die Dekadenz, den Konservativismus, eine schwüle Erotik und ein in Phrasen erstarrtes Pathos, das heute viele als Kitsch empfinden.
Den naturalistischen, stellenweise sogar wissenschaftlichen Anspruch, den der Impressionismus zeitweise stark in den Vordergrund stellte, indem er sich auf eine interessenlose und objektive Darstellung der Natur berief, kann man heute auch nicht mehr ganz leicht nachvollziehen, weil in unseren Augen die Fotografie den Augenblick erheblich sachlicher wiedergeben kann und der Film Veränderung wesentlich objektiver erfaßt als Malerei das jemals könnte. Was uns den Impressionismus heute attraktiv macht ist der individuelle Duktus und die subjektive Seite der Impression, die sich selbst mit optischen Filtern, Weichzeichnern und Rastern vor dem Kameraobjektiv und zufallsgesteuerter Überarbeitung im Rechner nur schlecht simulieren läßt. Wo die impressionistische Malerei zu mechanisch und technisch wurde schreckt sie uns heute eher ab.

.
 
Netzquellen zum Impressionismus

http://www.kusem.de/lk/gym8/su42/kommbre.htm
Die Seite im KUSEM setzt sich mit folgender Frage auseinander: 
Welche Rollen besetzen Künstler und Publikum im Kunstsystem des 19. und 20. Jahrhunderts?

http://privat.schlund.de/j/joof/impress/literat/index.htm
Impressionismus in der Litreratur, Kunst und Musik
Die Seite bietet umfangreiche Informationen zu den Hauptvertretern und einige Bilder

http://www.onlinekunst.de/januar/19_01_Cezanne.htm
Seite üb
er Cezanne von Inga Schnekenburger COMPUTERGARTEN http://www.onlinekunst.de
Auf der Seite weitere Adressen zu Cezanne

http://metalab.unc.edu/wm/paint/theme/impressionnisme.html
Impressionismus im Webmuseum, Paris mit zahlreichen Bilder und Profilen von Malern
Photographs by Mark Harden and Carol Gerten-Jackson. 

"Impressionismus - Wie das Licht auf die Leinwand kam", Ausstellungskatalog Köln, Autorinnen: Schaefer, von Saint-George und Lewerentz , 2008