Luitpold-Gymnasium München Leistungskurs Kunsterziehung |
Die Zeichnung
Elementare Kategorien zum Verständnis und zur Beschreibung von Zeichnungen von Uli Schuster |
Im Kategoriensystem, mit dem die Gattungen
der bildenden Kunst im 19. Jh bezeichnet werden, nämlich Architektur,
Plastik,
Malerei,
findet sich die Zeichnung wie auch die Druckgrafik nicht. Das hängt
damit zusammen, daß man ihre Aufgabe vorwiegend innerhalb der genannten
Gattungen gesehen hat und sie als Dienerin und Fundament all dieser bildenden
Künste betrachtete. Aus diesem Blickwinkel heraus sprach man der Zeichnung
in der Vorbereitung, im Werkprozeß von Architektur, Malerei, Plastik
wesentliche Funktionen zu. Erst das 20. Jh gelangt zu einem Verständnis
der Zeichnung und Grafik als einer
autonomen, eigenständigen Gattung. In der akademischen künstlerischen Ausbildung wie auch der schulischen Kunsterziehung spielt die Zeichnung seit jeher die tragende Rolle. |
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Dieser Ausdruck betont die Nähe zu einem geplanten Werk. Im Entwurf werden Aspekte der Fertigung in den Vordergrund gerückt, durch den Grad der Ausformulierung entschieden und festgelegt. Das bedeutet oft maßstäbliche Ausarbeitung, kompositorische Festlegung auf ein Format, Klärung von Umrissen, Lichtführung, Farbgebung. In der Architektur wird der Entwurf auch als Plan bezeichnet und stellt das Vorhaben als Grundriß und als Aufriß vor. |
Skizze, Studie, Entwurf, Karton können als Vorzeichnung bezeichnet werden, insofern sie Stadien darstellen, die einem Bildwerk vorausgehen. Im engeren Sinn kann als Vorzeichnung auch das gelten, was durch Übertragung eines Entwurfs auf einen Bildgrund oder einen Bildhauerblock gezeichnet wird. Diese Vorzeichnung ist in der Malerei wie in der Bildhauerei ein im Werkprozeß meist verschwindender Teil. Während er am Stein oder Holz abgeschlagen wird, verschwindet er in der Malerei unter den Farbschichten und kann nur durch deren Abtragung oder Durchleuchtung (z.B. mit Röntgenstrahlung) sichtbar gemacht werden. Dem Restaurator wie dem Kunsthistoriker liefert eine solche Werk- oder Vorzeichnung wichtige Erkenntnisse über den Herstellungsprozeß, über Korrekturen, spätere Hinzufügungen etc... |
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Die zeichnerische Linie kann stets in
drei Richtungen betrachtet werden: als Spur eines zeichnenden Subjekts,
als Spur eines Zeichen gebenden Materials auf einem Zeichengrund und als
Bedeutungsträger für einen über sich selbst, das Zeichenmaterial
und den Zeichner hinausweisenden symbolischen Gehalt, z.B. eine gegenständliche
Form.
Als Kontur bezeichnet man die eine Form umschreibende Linie. Eine Lineatur innerhalb einer bezeichneten Form nennt man Binnenlinie. Ein solches System von Binnenlinien ist die Schraffur, die gleichermaßen formgebend wie Helligkeit bezeichnend sein kann. Es erscheint mir sinnvoll, drei Dimensionen der gezeichneten Linie, dem gezogenen Strich zu unterscheiden: Faktur, Textur und Struktur.
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Prinzipielle Verschiedenheiten machen
es sinnvoll zwischen selbstschreibenden und übertragenden
Zeichenmitteln zu unterscheiden.
Jedes Zeichenmittel entwickelt seine eigene Charakteristik, Faktur stets im Zusammenspiel mit dem passenden Zeichengrund, dem Material, auf dem gezeichnet wird. Vor der Verbreitung des Papiers seit dem 14. Jh war die Zeichnung auf Tierhaut, Pergament eine aufwendige und teuere Angelegenheit. Papier war anfangs recht weich in der Oberfläche und wurde wie Holz und Leinwand als Malgrund zunächst grundiert. Der harte Silberstift färbt nur auf grundiertem Papier ab, weiche Oberflächen würde er aufreißen. Auch die Feder verlangt ein hartes Papier mit glatter Oberfläche. Im Gegensatz dazu fordern weich zeichnende Stifte wie Kohle und Kreide einen rauhen, faserigen Zeichengrund sowie eine nachträgliche Fixierung des zum Teil nur lose auf dem Zeichengrund haftenden Farbmittels. Jedes Zeichenmittel besitzt seine charakteristische Färbung, die gelegentlich auf einem gefärbten Zeichengrund besser zur Geltung kommt als auf weiß gebleichtem Papier. Wenn auch meist mit dunkler Spur auf hellem Grund gezeichnet wird, ist insbesondere für den Zweck der Helldunkel-Studie eine Mittlere Tönung vorzuzienen, die es erlaubt sowohl die Dunkelheiten, Schatten zu bezeichnen (schattieren), als auch die Helligkeiten, Lichter (höhen). Das führt häufig zu einer Mischtechnik mit verschiedenen Zeichenmitten. |
Man wird dem künstlerischen Wert der Zeichnung nicht gerecht, wenn man sie insbesondere in Bezug auf die Malerei auf ihre vorbereitende Funktion hin betrachtet. Die Frage nach der Entstehung des Kunstwerks führte schon die Kunsttheorie der Renaissance zu der Feststellung , daß die Zeichnung die erste und unmittelbarste Formung der künstlerischen Absicht darstellt. Deutlicher als das fertige Werk gibt die unmittelbare Niederschrift der Zeichnung die Absichten, Beweggründe, Entscheidungsvorgänge und das gestisch-emotionale Vokabular, Ausdrucksrepertoire des Autors wieder. Mit gutem Recht kann man behaupten, daß die Zeichnung den neuzeitlichen Künstlertyp erst hervorgebracht hat. Viele Zeichnungen seit der Renaissance entstanden ohne eine funktionale Absicht und werden als autonome Zeichnungen angesehen. |
In der künstlerischen Ausbildung
spielte die Zeichnung offenbar seit jeher eine bedeutende Rolle. Vor der
Verbreitung des Papiers zeichnete man in der Werkstatt auf Wachstäfelchen,
grundierte Leinwand oder grundierte Holzplatten. Mit dem Entstehen der
Kunstakademien im 16./17. Jh wurde die Zeichnung als Instrument der Kunstlehre
systematisch entwickelt.
Der Aufbau der Lehre sah an unterster Stelle das Zeichnen nach der gezeichneten Vorlage , dem Musterbuch, der Meisterzeichnung vor. Von höherer Schwierigkeit wurde das Zeichnen nach dem plastischen Vorbild , insbesondere nach Gipsabgüssen, Gliederpuppen=Manichini, Draperien angesehen. Dazu legten die Akademien Sammlungen von Modellen (z.B. Anatomiepräparaten ) und Gipsabgüssen an, mit besonderer Vorliebe für die griechische Antike und ihre römischen Repliken. Eine Steigerung der Schwierigkeit wurde im Zeichnen nach der Natur und dem lebenden Modell gesehen. Insbesondere der Akt wurde zum Inbegriff akademischer Kunstlehre. Von Raffael bis zu David reicht die Tradition, Figuren und -gruppen für Historienbilder aus der Aktzeichnung heraus zu entwickeln und sie erst im zeichnerischen Endstadium mit den Accessoirs der Gewandfigur zu versehen. Zum gehobenen zeichnerischen Niveau wurde die Komposition gerechnet, die zunächst räumliche Konstruktion nach den Regeln der Perspektive bedeutete. Innerhalb der geometrisch-konstruktiven Zeichnung gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von der flächigen Geometrie und den Proportionsgesetzen zur räumlichen Geometrie und Perspektive, vom einzelnen räumlichen Objekt zum komplexen architektonischen Prospekt. Siehe dazu die Kupferstiche von Philipp
Galle 'Color Olivi'
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Auf dem Gang im Schulhaus kann man sich ausbreiten. "Tanzende Figuren" mit Kohle und Kreide auf graues Packpapier gezeichnet. Schüler des LK Kunst in der 12. Jgst., Bea, Eveline, Markus und Mey |
Literatur:
Walter Koschatzky, 'Die Kunst der Zeichnung' (dtv 2867) Nerdinger, 'Elemente künstlerischer Gestaltung' S. 197 - 204 (3) Asemissen/Schweikhart, 'Malerei als Thema der Malerei' S. 106-114 Angewandte Übung: Beschreibung
einer Zeichnung von Michelangelo
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